Full text of "HAIN 1"
DER Nächste MAIN BRıInT...
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...den GEHÖRNTEN GOTT : Das religionshistorische Porträt eines
Gottes, der zum Teufel gemacht wurde.
zeitschrift für heidentum und naturrelioi
...HEXENSALBEN : Legenden und Wirklichkeit. | SER religion
...den PROZESS IN MOABIT : Wie es zum Verbot des Thelema-Ordens kam. nr. I 2,50 dm
„..das OSTER-FEST : Rituale, Mythen und Kultbräuche zum Erwachen des
Jahres. 2 WAS IST EIN HEIDE?
...Meditationsübungen, Wetterregeln, den zweiten Teil des BERSERKERS
und noch so manches mehr. #
DAS RAD DES JAHRES
ODIN ALS SCHAMANE
x
DER BERSERKER
KULTSTÄTTEN
INHALT
EdEborkat „neuesten nun nenne urn
Gruppen:
Was ist ein Heide? „.ooooonecnnosnnenenenennnnnnenenn nn...
Neuheidentum im Deutschland der Gegenwart seseneennenene»
Essay:
Magie ist es, in Harmonie mit Mutter Erde zu leben ......»
Kult:
Die heilige Nacht sono nsnsnenennnsnnnn nennen nee anne ane
Das Rad des Jahres zencsnuinssssenenosensen nn nenn nee
Natur:
Die Mistel „.ossensseenunseunensen nn nn
Die Eibe ...,0enunende use here
Fantasy:
Der Berserkaefl „ur ..souenne asus een“
Kultstätten:
Kultstätten desiHasrzes sense nude ne nenne
Der Scharfe Berg „oe. 00000000nen0nnnnn0n 00 nn nn 00000000.
Mythologie:
Odin: als: Schande s.asä. 0 0 0ncs cn snsne ns. nie unseren
Kontakte: sr ke susanne sn nann see ee“
Impressum woaooseosaususnnnnenen nun uses
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Liebe Leserin!
Lieber Leser!
Ein "Hain" war in alten Zeiten
ein heiliger Wald, ein Platz, wo
man die Naturkräfte besonders
spüren konnte, wo man mit den
Göttern in Verbindung trat, ein
Ort der Kraft und der Heilung.
Aber er war auch eine Versamm-
lungsstätte, hier konnte man
gleich oder ähnlich Gesinnte
treffen, konnte Erfahrungen aus-
tauschen, lernen und lehren oder
sich einfach nur an der Vielzahl
der Stimmen und dem dennoch
allgegenwärtigen Frieden erfreu-
en.
Für eine Zeitschrift ist
dieser Anspruch natürlich sehr
hoch gegriffen, aber wir bemühen
uns, zumindest einen Schatten
dieser Atmosphäre einzufangen
und hier wieder-zu-geben. Denn
der HAIN soll eine Versammlungs-
stätte sein! Er soll den Aus-
tausch fördern zwischen all den
verschiedenen, verstreuten, z.T.
sogar gegensätzlich gesonnenen
heidnischen, naturreligiösen
Gruppen des deutschsprachigen
Raumes, zwischen Hexen und Wi-
kingern, Germanen und Indianern,
Esoterikern und Naturfreaks und
was da sonst noch alles ist. Wir
wollen die Vielfalt, aber auch
die Kommunikation, wir wollen
die eigene Freiheit, aber auch
die Verbindung mit anderen. Wir
achten jedoch genauso jene, die
lieber im stillen Kämmerlein
bleiben, und wir freuen uns
ebenso über die Leser, die sich
überhaupt erst einmal informie-
ren wollen, was "Heidentum" ist,
oder die sich nicht als "Heiden"
bezeichnen, aber dennoch für
unsere Artikel interessieren.
Ihnen allen ein herzliches
Willkommen in der "Zeitschrift
für Heidentum und Naturreli-
gion"!
Als wir beide (d. Red.) uns
im Sommer trafen und beschlos-
sen, eine heidnische Zeitung zu
starten, war uns allerdings
nicht nur die Kontaktarmut der
derzeitigen Scene ein Dorn im
Auge, sondern wir vermißten auch
ein Magazin, welches das bringt,
was uns als Heiden so interes-
sieren kann: die ganze Spann-
breite an Themen von Mythen,
Märchen, Kult, Meditationsübun-
gen, über Volksbrauchtum, bis
hin zu aktuellen Geschehnissen,
bis hin zu Naturkunde, Ökologie,
Biologie und zu aktivem
Umweltschutz. Heidentum ist Re-
ligion, aber eben nicht nur
Religion.
Aber auch, wenn religiöses
Nachsinnen oft zu politischen
Konsequenzen führt - besonders,
wenn im Zentrum der Religion die
Natur steht - betrachtet sich
der HAIN als politisch ungebun-
den. Wir sind uns der momentanen
Kontakte von Teilen des Heiden-
tums zu verschiedenen politi-
schen Richtungen linker oder
rechter Gesinnung bewußt, propa-
gieren aber ebensowenig auf po-
litischem wie auf religiösen
Gebiet eine bestimmte Weltan-
schauung.
Der HAIN erscheint jedes
Vierteljahr, und zwar zu den
Sonnenwenden und den Tagund-
nachtgleichen (d.h. im März,
Juni, September und Dezember).
Er erscheint in verschiedenen
Buchläden oder wird direkt ver-
sandt. Sein Umfang beträgt
mindestens 50 Seiten und ein
Jahresabonnement (= 4 Ausgaben)
kostet 10,- DM (+ 3,50 DM Ver-
sandkosten). Da wir alles im
Eigenvertrieb und auf eigene
Kosten machen, sind wir stark
auf Abonnenten angewiesen - und
auf Mundpropaganda. Also, wenn
Euch der HAIN gefällt und Ihr
kennt noch jemanden, dem er auch
gefallen könnte, dann würdet Ihr
uns sehr damit helfen, wenn Ihr
ihn auf unsere Zeitschrift auf-
merksam macht. Und 2,50 DM sind
doch wirklich nicht zuviel ver-
langt, oder?
Über Leserbriefe, Kritik
und Anregungen würden wir uns
auch sehr freuen, und wer Lust
hat, selbst die Feder in die
Hand zu nehmen und einen Artikel
oder einen Essay zu schreiben,
ist uns willkommen. Da eine der
Aufgaben des HAINs darin be-
steht, Verbindungen zu schaffen,
drucken wir Kontaktadressen von
Gruppen oder
kostenlos ab.
Viel Vergnügen beim Lesen
wünschen Euch
Einzelpersonen
Michael Frantz
Matthias Wenger
Was ist ein Heide ”?
"Na, und was machst du
sonst so zur Zeit?" fragt mich
mein Onkel jovial. Ich sitze
gerade im anderen Deutschland,
genauer gesagt im Kreise und im
Garten meiner Verwandten auf
einem Gartenstuhl und genieße
Kola und Nachmittagssonne.
"Ach, ich bin endlich aus
der Kirche raus. Schließlich war
ich ja schon immer irgendwie
Heide..."
"Bitte?!!" Mein Onkel kippt
fast vom Stuhl. "Etwa wie die
Genossen bei uns?"
"Jie?!!" Jetzt kippe ich.
"Eure Parteifunktionäre sind
doch keine Heiden!"
"Natürlich. Jedenfalls be-
haupten sie das immer im Fern-
sehen."
"Unsinn. Für die sind die
Götter doch nur gesellschaftli-
cher Überbau, während ich die
Götter verehre."
"Jo ist da der Unter-
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schied?"
Ich unterdrücke den Wunsch,
meinen Lieblingsonkel zu erwür-
gen, und bringe lieber einen
Gag: Der Heide ist noch viel
weniger ein Atheist wie der
Christ, weil der Heide viele
Götter hat und der Christ nur
einen. Ha ha.
Umsonst. Entweder war der
Gag doch nicht so gut, wie ich
dachte, oder es ist zu sehr
allgemeines Sprachgut geworden,
alles nicht-christliche pauschal
als "Heidentum" zu bezeichnen.
Zu Hause, auf der anderen
Seite, mache ich mir meine Ge-
danken. Wie ist es möglich, daß
ein inneres Verhältnis zur Natur
und ihren Kräften/Göttern kur-
zerhand mit Atheismus ("a-theos"
= "ohne Gott") zusammengeworfen
wird? Oder gar mit anderen Reli-
gionen, die - wie das Christen-
tum - an einen einzigen Gott
glauben?
AN
Nun halte ich es weder mit
Jehova, dem Jähzornigen, noch
mit dem Siegel der Propheten.
Sympathischer erscheint da schon
die grundsätzliche Toleranz der
Buddhisten, in der Naturverbun-
denheit der Daoisten fühle ich
mich noch wohler und sobald die
vielen tausend Götter der Hindus
auftauchen, bin ich da angekom-
men, wo ich hinwollte: Hier bin
ich Mensch, hier darf ich's
sein...
So allmählich dämmert mir,
daß die Kirche im Laufe der
Jahrhunderte den Begriff, den
sie einst selbst prägte, mißver-
standen hat - und damit mißver-
stand ihn auch die manipulierte
Bevölkerung. Als sich Kirche und
Christentum im 4.Jh.u.Z. unter
dem Schutzmantel der Cäsaren
ausbreiteten, waren die Nicht-
Christen, die es zu bekehren
galt, vorwiegend Anhänger der
uralten Naturgötter, verehrten
diese "draußen", in der Natur,
in der "Heide" (="unbebautes,
wildes Land"). Daher die Gleich-
setzung "Heide" = "Nicht-
Christ".Ähnlich verhält es sich
übrigens mit dem englischen Wort
"pagan" (="Heide; heidnisch").
Es stammt vom lateinischen "pa-
ganus" ab (="ländlich; Dorfbe-
wohner").
Wenn wir das Wort "Heide"
also von seiner Wurzel her be-
trachten, ist ein Heide ein
Anhänger einer Naturreligion.
Die Arunta Australiens, die
Samojeden Sibiriens, die India-
ner, die Masai, die Bambuti -
sie alle sind Heiden. Die Germa-
nen, die Kelten, die Slawen, die
alten Griechen und Römer waren
Heiden. Diese Völker gibt es
nicht mehr. Aber es gibt wieder
Heiden in Europa. Die einen
verehren bestimmte Götter oder
Geister, die anderen schlicht
die Natur selbst. Aber trotz
aller Unterschiede sind sie
durch viele Dinge vereint.
Klingt ja schon ganz gut.
Aber stimmt's auch? Vielleicht
habe ich etwas übersehen. Also
beschließe ich, andere Heiden zu
fragen, was wir eigentlich über-
haupt sind.
Thorgaard antwortet mir auf
die Frage "Wer ist Heide?" mit
drei langen Sätzen:
"Jeder Mensch, der die
göttlichen Kräfte in seinem In-
neren und zugleich in der Natur
bewußt erkennt und eine Verbin-
dung mit ihnen anstrebt. Jeder,
der sich der Wirklichkeit dieser
Kräfte so annähert, sie so in
sein Leben einbezieht, wie es
auch die alten, naturreligiösen
Kulte taten, die die Göttinnen
und Götter mit ihren urzeitli-
chen Riten verehrten. Jeder Mann
und jede Frau, die die Holzwege
der monotheistischen Weltreli-
gionen hinter sich gelassen ha-
ben, die die Erde und den Himmel
in gleichem Maße lieben und
Pflegen." Und er setzt hinzu:
"All diesen Menschen wird das
kommende Äon des Wassermanns
gehören."
Die LIEBENDEN
€
Der nächste, den ich frage,
ist Geza v.Nemenyi. Er ist Lei-
ter der "Heidnischen Gemein-
schaft e.V.", die sich vor allem
mit der Religion der alten Ger-
manen beschäftigt und versucht,
diese wiederzubeleben. Er ant-
wortet knapp: "Ein Heide ist
jemand, der die heidnischen Göt-
ter verehrt und der seinen Kult
draußen (in der "Heide") macht."
Letzterem fügt er allerdings
hinzu, daß auch ein Tempel
benutzt werden darf, "wenn er
extra für die heidnischen Götter
errichtet wurde und der Kult
ansonsten oft draußen stattfin-
det." Er wehrt sich damit gegen
jene umfunktionierten Wohnzim-
mer, in denen ein Hausaltar
steht und die deswegen von ihren
Bewohnern als "Tempel" bezeich-
net werden.
Außerdem merkt er an, daß
in den isländischen Sagas die
Heiden als "Blotarmenn" bezeich-
net werden, was auf einen
ursprünglichen Zusammenhang von
Opfern und Beten hindeute. Als
Opfer will er bloße Kulthand-
lungen nicht anerkennen, denn
"die hat die Kirche ja auch
nicht verfolgt, sondern sich
einverleibt. Das Opfern dagegen
wurde verfolgt. Also ist es
sozusagen der Kern der ganzen
Sache."
Am Schluß des Interviews
tritt er noch einmal entschieden
für ein traditionelles, histo-
risch begründetes Germanisches
Heidentum ein und wehrt sich
- dagegen, daß verschiedene Coven
des Hexenkults der Wicca als
Nachfolger der Germanischen Re-
ligion aufträten. Schließlich
hätte es bei den Germanen keinen
Gehörnten Gott gegeben und die
Große Mutter (Frigga) sei auch
nur eine Göttin unter anderen
gewesen.
Auf diesen Teil des moder-
nen Heidentums neugierig gewor-
den, schreibe ich eine andere
germanisch ausgerichtete Gruppe
an, den Armanen-Orden. Sigrun
Frfr. v.Schlichting, deren Lei-
terin, meint: "Heiden sind im
Grunde genommen alle natürlichen
Menschen...» Ein natürlicher
Mensch wird in seiner Heimat
geboren. Diese Heimat ist sein
Kulturkreis, d.h. jenes Großge-
biet unseres Planeten, in wel-
chem sich die Urtypen seines
Wesens entwickelt haben...
Diese, durch die Natur von den
anderen stark und deutlich un-
terschiedenen Großgemeinschaften
(von Mensch, Tier, Pflanze,
Landschaft, Klima, Bodenschätzen
und inneren Erdorganen oder
Kraftwirbeln), Kulturkreise
genannt, sind wiederum Großlebe-
wesen, die in verschiedene
natürliche Organe zur Selbster-
haltung untergliedert sind.
Gemeinsam bilden sie ein Ganzes,
sind aufeinander fein abge-
stimmt, deshalb aufeinander an-
gewiesen und voneinander abhän-
Gißsas"
"Ein Heide ist deshalb ein
Mensch, der in einem Stammesge-
biet seines Kulturkreises gebo-
ren wurde, bei seinen leiblichen
Eltern ebendort aufwuchs und von
ihnen die ungebrochenen Bezie-
hungen zur Erde, zum Himmel, den
Ahnen und Göttern seiner Heimat
übernimmt und in den Künsten und
Idealen dieser Tradition auf-
wächst. Deshalb ist ein Heide
auch ein glücklicher, gesunder,
edler Mensch und seine Heimat
ein Paradies..."
"...Deshalb können Heiden
mit anderen Heiden zusammen (aus
anderen Kulturkreisen, sofern
sie ihre angestammte Kultur
nicht aufgeben), deren Religion
natürlicherweise immer Naturre-
ligion ist, immer an der Wieder-
herstellung der natürlichen
Ordnung, der heilen Welt, des
Paradieses arbeiten und dafür
die Arme der Götter herbeirufen.
Deren Gegner aber werden sie
weiterhin, wie seit Jahrtausen-
den, aus ihren Paradiesen zu
vertreiben suchen, den Tod ver-
herrlichen, Marterpfähle (Kruzi-
fixe) heiligen und in aller
Öffentlichkeit aufstellen, Kir-
chen (= Kerke, Kerker) bauen,
die Frauen und damit die Natur,
die Liebe und den Körper verach-
ten und Zwangsmaßnahmen jeder
nur denkbaren Art einführen.
Erst wenn alle Menschen erkannt
haben, daß ohne die Natur, das
HEIDENTUM, nur noch der Tod
regiert (ob in Form von Schei-
terhaufen, Atomkraftwerken oder
dem Fällen der Regenwälder),
werden sie sich wieder auf die
Seite des Lebens stellen und
selbst wieder Heiden werden, wie
es ihre Vorfahren in allen
Kulturkreisen der Erde seit
Jahrtausenden waren. Eine kost-
bare Erkenntnis - die auch heute
noch ganz schlicht über Sein
oder Nichtsein entscheidet."
Nach dem Armanen-Orden ver-
suche ich es bei den Wikingern.
Diese aus England gekommene Be-
wegung wird hierzulande von ver-
schiedenen kleinen Gruppen ver-
treten, deren Mitglieder vor
allem an ihren historischen
Rüstungen und Gewändern basteln,
sich mit mittelalterlichen Waf-
fen Schaukämpfe liefern und ger-
ne Met trinken. Die meisten von
ihnen sind allerdings Heiden.
Als einer ihrer Gründerväter in
Deutschland gilt Harry Radegeis
("Gunnar, der Rugier").
Dieser antwortet auf meine
Anfrage mit einem kleinen philo-
sophischen Vortrag: "Von der
grundsätzlichen Erkenntnis aus-
gehend, daß eine göttliche
Ursubstanz sich evolutionär auf-
spaltet und zu immer größer
werdender Vielfalt neigt, sehen
wir in den erkannten Naturge-
setzen den Schöpfungsauftrag..."
Dieser müsse (als eine Art
"Pflicht" zur Höherentwicklung)
vom "fast unbewußten Stein" in
verschiedenen Wiedergeburten
über den Mensch, über Götter
einzelner Planeten und Götter
ganzer Sonnensysteme bis hin zu
einer "fernen Vollkommenheit"
verfolgt werden. "...Auf immer
anderen Bewußtseinsebenen werden
analoge Dinge erlebt und ver-
schieden verarbeitet, was das
Leben zu einer Zeitspirale wer-
den läßt... Das wikingische
Kriegerpriestertum basierte hin-
gegen auf der "fulltrui" - einem
gegenseitigen Freundschafts- und
Beistandspakt zwischen Gottheit
und Mensch..."
Zu diesen Ausführungen
(kompletter Text kann beim HAIN
angefordert werden, das gleiche
gilt für die Aussage von Sigrun
und alle anderen Aussagen, die
an dieser Stelle leider nur
auszugsweise wiedergegeben wer-
den konnten) fügt er hinzu:
"\jenn man dies beachtet und weiß
und bei allen seinen Überle-
gungen und Taten in Rechnung
stellt, wird man sich wohl mit
Fug als Heide bezeichnen dür-
fen." Boshaft meint er noch:
"Man kann es auch negativ defi-
nieren: Alle heutigen bedroh-
lichen Zustände sind auf das
Fehlen heidnischer Religion
zurückzuführen."
Nicht so metaphysisch fällt
die Antwort eines anderen Wikin-
gers ("Baduila, der Ostgote")
aus: "Heidnisch im germanischen
Sinne sind Frauen und Männer,
welche die alten Hochgötter und
-göttinnen der Stämme und andere
Naturwesen wie die Disen vereh-
ren und ihnen opfern, sowie sich
der alten religiösen und recht-
lichen Ordnung unterwerfen. Der
Heide lebt als Bestandteil sei-
ner Sippe, welche höher als die
Einzelexistenz bewertet wird und
seine Existenzgrundlage dar-
stellt. Verbindliche Rechts- und
Religionsgemeinschaft stellt der
Stamm dar; Rechtsbruch bedeutet
Friedensbruch, Frieden im germa-
nisch-heidnischen Sinne ist je-
doch Vorraussetzung für ein Le-
ben im Einklang mit den Göttern.
Das germanische Heidentum
ist keine bloße Natur- bzw.
Fruchtbarkeitsreligion, da es
von der Existenz personifizier-
ter Götter ausgeht, welche in-
nerhalb und außerhalb der Seele
wirken. Das Bekenntnis zu stam-
mesfremden Religionen galt als
Verrat am Stamm und seiner
Ordnung bzw. Sippenschande; ge-
genüber Stammesfremden wird je-
doch religiöse Toleranz prakti-
ziert.
Der Heide geht von einem
vorherbestimmten Schicksal,
einem Leben nach dem Tode bzw.
Wiedergeburt aus, ist zugleich
von einer unbedingten Lebensbe-
jahung erfüllt, dieses bedingt
seinen ausgesprochenen Existenz-
willen wie auch seine Todesver-
achtung.
Grundlegend für den Heiden
ist, daß er sein eigenes, per-
sönliches Verhältnis zu seinen
Göttern bzw. einzelnen Gotthei-
ten hat (fultrui-Verhältnis).
Die Religion ist somit für den
Heiden nicht bloßer Überbau,
sondern Basis seiner Gesell-
schaftsordnung."
Nach diesen vielen Germanen
interessiert mich, was die Kel-
ten denn so auf Lacer haben.
Deren Traditionen werden heut-
zutage vorwiegend von Hexenzir-
keln des Wicca-Kults (sogenann-
ten "Coven") vertreten. Das
heißt allerdings nicht, daß alle
keltisch gesonnenen Heiden
Wiccas wären, noch daß die
Wicca-Bewegung nicht auch genau-
so gerne andere Traditionen auf-
greift. Genaugenommen behaupten
die Wiccas lediglich, in einer
ungebrochenen Schamanentradition
zu stehen, die über die verfolg-
ten Hexen des Mittelalters, die
heidnischen Priester der Bronze-
zeit bis hin zu den Stammeszau-
berern der ersten Menschen Euro-
pas reicht. Db das nun histo-
risch beweisbar ist oder nicht,
kümmert die Wiccas selbst sogar
recht wenig, praktische, tätige
Religionsausübung (zu der sie
Meditation und Magie fest dazu-
zählen) steht ihnen höher als
"Bücherwissen". Dementsprechend
offen und tolerant stehen sie
allem Neuen gegenüber, was ihnen
allerdings von Seiten ihrer Geg-
ner auch schon den Vorwurf der
Konturenlosigkeit eingetragen
hat. Ob das stimmt oder nicht,
will ich an dieser Stelle nicht
ausdiskutieren, die Frage lautet
ja "Was ist ein Heide?" und als
erstes stelle ich sie der Wicca-
Hexe Taradiana.
Spontan sagt diese, daß sie
sich als "Heidin" bezeichnet,
weil sie nicht der hiesigen
kirchlichen Religion angehört
und sich durch dieses Wort mit
all jenen solidarisieren möchte,
die von der Kirche verfolgt und
als "Heiden" beschimpft wurden -
den Anhängern der Alten Götter
nämlich. Ihrer Auffassung nach
ist die christliche Religion
ziemlich patriarchalisch, wäh-
rend die Alte Religion der
Großen Göttin eher matriarcha-
lisch war. Dementsprechend be-
deutet "Heide sein" für sie
auch, gegen den patriarchali-
schen Staat und seine Strukturen
zu sein und auf eine Veränderung
zu hoffen. So gesehen wäre Hei-
dentum nicht nur eine Religion,
sondern besäße genauso eine
"weltliche" Komponente. Geisti-
ges und "Weltliches" ließe sich
ohnehin nicht voneinander tren-
nen. Daß Heidentum auch eine
Lebenseinstellung ist, bestätige
sich durch einige Verpflichtun-
gen: Es genüge nicht, einfach
"Heide zu sein", sondern man
müsse aktiv mitwirken bei der
Heilwerdung der Natur (Stich-
wort: Umweltzerstörung), aber
auch bei der Heilwerdung des
eigenen Selbst. Man müsse sich
bemühen, in Harmonie mit der
Natur zu gelangen, mit ihr eins
zu werden.
Auch für Gwydian, einem
Wicca aus einem anderen Coven,
gehört zum "Heide sein" Wider-
stand zu leisten "gegen jene
selbstherrlichen, selbsternann-
ten Statthalter eines größen-
wahnsinnigen, eifersüchtigen
Rachegottes, die sich noch immer
"die Erde untertan" machen wol-
len." Aber vor allem heißt für
ihn "Heide sein": ",...wieder
Religion auf ihren alten Sinn
zurückzudrehen. Lateinisch "re-
ligio" im Sinne von "Rückbin-
dung". Rückbindung mit den Ster-
nen, den Göttern, den Ahnen, den
Pflanzen, Tieren und Steinen;
den ganzen Kosmos wieder als
pulsierendes, lebendes Ganzes zu
empfinden. Dies kann sich äußern
in Meditation, in Magie,im Lau-
fen im warmen Gewitterregen, in
der tiefen Verbundenheit und
Wärme im Coven oder in wilder,
göttlicher Ekstase..."
12
"...Heide zu sein heißt im
alltäglichen Bereich zunächst
einmal, allen Gurus, Messiassen
und Avatars oder sonstigen "ab-
soluten Führern" und ihren "ab-
soluten Antworten" abzuschwören.
Man bekommt nichts versprochen,
kein glorioses Leben im Jen-
seits, keine schnelle Seelig-
keit, keine Macht und keinen
Reichtum. Das ganze ist ein
Abenteuer, was man bekommt, sind
Fragen über Fragen, die man für
sich beantworten muß, und Ver-
antwortung für sich selbst. Aber
gerade darin liegt die Freiheit!
Die Freiheit, sein Schicksal
selbst in die Hand zu nehmen,
das Abenteuer zu leben wieder zu
spüren, schlicht Mensch zu
sein..."
Als letzte Etappe dieses
kurzen Streifzuges in die Welt
der Hexen schlage ich das "He-
xenbuch" des Goldmann-Verlages
auf (die Autorinnen und Autoren
zogen es aus Angst vor Repressa-
lien vor, amonym zu bleiben).
Dort steht zum Thema "Heiden-
tum": "Es gibt Hexen und es gibt
Heiden ("Neuheiden" nennt sie
der Religionswissenschaftler).
Heiden verehren die Alten Götter
und pflegen vor allem die
Mystik, fast nie jedoch üben sie
Zauber aus oder betreiben die
Magie der Naturkräfte. Wer Heide
ist, muß deswegen noch lange
nicht auch Hexe sein. Die mei-
sten Hexen dagegen sind jedoch
auch Heiden. Es sind auch Mysti-
ker darunter, tiefreligiöse Men-
schen, denen die Magie neben-
sächlich erscheint. Dennoch ver-
fügen sie über magisches Wissen
und über magische Erfahrung -
denn Hexe sein heißt immer auch,
den Weg der Tat zu beschreiten.
Die wenigsten von uns interes-
sieren sich sonderlich für hoch-
trabende philosophische Systeme,
wir nutzen zwar unseren Intel-
lekt, wo dies angebracht er-
scheint, doch gilt er uns als
Diener, nicht als Herr."
Nach den Hexen interessiert
mich die Aussage eines "echten"
Kelten und so lasse ich mir von
dem französischen Heiden Bo jorix
eine Antwort auf meine Frage
geben. Diese besteht in einem
kleinen Manifest, in dem Bojorix
seine Auffassung von "UNSERE
WELTANSCHAUUNG" darstellt:
"1) Wie die Monotheisten glauben
wir an eine einzige Urenergie,
die wir "das Ur" nennen. Aber in
der Verdichtung und Teilung die-
ser Urenergie erblicken wir kei-
nen Verfall, sondern im Gegen-
teil eine höhere Entwicklung,
denn nur die räumliche Begrenzt-
heit ermöglicht Formen und
Schönheit, wie die zeitliche
Begrenztheit (also der "Tod")
das Gefühl der Zeit und das
Bewußtsein ermöglicht. Deswegen
nennen wir uns Heiden und Poly-
theisten.
2) Die Religion ist weder eine
Nebensache im Leben, noch steht
sie über dem stofflichen Leben -
sondern sie ist dessen Seele,
Gesetzgebung und Triebfeder.
3) Wir sehen in allen Lebensvor-
gängen, Konflikte einbegriffen,
das Spiel einer Polarität vom
Männlichen und Weiblichen, und
nicht einer Polarität des
"Guten" und "Bösen". Dementspre-
chend glauben wir an keine Para-
diese oder Höllen, sondern an
Nietzsches Satz: "Glück und Leid
sind Zwillinge, die zusammen
groß werden, oder ebenso zusam-
men klein bleiben."
4) Wir empfinden die Zeit als
"einen ewigen Ring der Ringe"
und lehnen den geradlinigen
Zeitbegriff der Wüstenreligionen
ab.
5) Wir erkennen der Frau und dem
Weiblichen im Allgemeinen eine
göttliche Sakralität zu. Dem
Mann und der Frau erkennen wir
so den gleichen Wert zu, was
aber gar nicht die Gleichberech-
tigung bedeutet, da jedem Ge-
schlecht seine Veranlagung an-
dere Rechte und andere Pflichten
zuschreibt.
6) Wir fühlen uns nicht als
Sünder, sondern als verantwort-
liche Träger einer göttlichen
Gesetzgebung, welche in den
Naturgesetzen (Biologie und Phy-
sik) zum Ausdruck kommt. Unsere
Pflicht besteht darin, zur Ver-
edelung der Umwelt beizutragen.
13
Darum lehnen wir den lebens-
feindlichen Gott der Wüstenreli-
gionen entschieden ab: Wir wol-
len keinen Richtergott, weil wir
uns nicht schuldig fühlen. Wir
wollen keinen Heiland, weil
unsere Würde verlangt, daß wir
unser Los selbst austragen. Wir
wollen keinen "guten Hirten",
weil wir keine Schafe sind.
7) Wir erheben den Anspruch, als
Religion anerkannt zu werden,
und auf konkrete Möglichkeiten,
unsere Anschauungen über die
Genesung des heutigen Menschen
allgemein bekannt zu machen."
Zu guter Letzt soll Mato
sprechen, ein Lakota-Indianer
und Regenbogen-Krieger. Er ver-
tritt in diesem Artikel gleich
zwei heidnische Richtungen: ein-
mal (als Lakota) eine Menschen-
gruppe, die eigentlich in Europa
gar nicht heimisch ist, deren
Denken und Fühlen aber dennoch
immer stärker das hiesige Hei-
dentum inspiriert, andererseits
(als Regenbogen-Krieger) all
jene, die sich im Zuge der mo-
dernen New-Age-Bewegung nicht
einer bestimmten Kultur oder
Tradition zurechnen lassen wol-
len, sondern nach dem Sitting-
Bull-Wort vorgehen: "Nimm aus
den Religionen das, was gut ist,
und laß liegen, was schlecht
ish,"
14
Mato sieht als Kern des
Heidentums an, daß sich der
Große Geist in der Natur offen-
bart und nicht in Personen
(historischen wie erfundenen).
Außerdem sollte ein Heide den
Menschen als Bestandteil - und
nicht als Beherrscher - der
Natur sehen. Daraus folgt aller-
dings auch ein stetiges Bemühen
um Balance. "Es geht nicht," so
Mato, "daß man ständig nur
nimmt. Man muß auch geben. Auch
bei den Geistern ist nichts
umsonst. Sieh dir die Zeremonien
an: Da gehen die Leute hin und
bitten "Großer Geist, gib mir
dieses, Großer Geist, gib mir
jenes!", aber sie selber geben
nichts. Vielleicht bedanken sie
sich noch, aber das war dann
auch alles."
Nach Matos Auffassung muß
ein Opfer an den Großen Geist
auch wirklich ein Opfer sein
d.h. es muß als Verlust spürbar
sein. Einige Körner oder Kekse
auf dem Altar oder etwas Wein
(Bloß nicht zuviel!), lieblos in
den Wald geschüttet, sind für
ihn keine Opfer. Aber ein Opfer
muß nicht nur dem üOpfernden
fehlen, es muß vor allem auch
wirklich dem Großen Geist zu
gute kommen d.h. den Pflanzen,
Tieren und Mineralien, die ihn
in diesem Fall vertreten, denn
der Große Geist setzt sich -
laut Mato - aus der Tiernation,
der Pflanzennation, der Minera-
liennation und der Menschenna-
tion zusammen. Dementsprechend
sollte die Gabe eines Menschen
den drei anderen Nationen nüt-
zen, von denen der Mensch ja
ansonsten nimmt. Ein gangbarer
Weg zu opfern wäre z.B. der Ver-
zicht auf Essen für eine gewiße
Zeit. Die Nahrungsmittel, die
man in dieser Zeit verbrauchen
würde, könnte man den Tieren und
der Erde (und damit den Pflanzen
und Mineralien) überlassen oder
man könnte das Geld, was man
ansonsten für Essen verbraucht
hätte, für irgendetwas verwen-
den, das Pflanzen, Tieren und
Mineralien zu gute kommt.
So, liebe Leser, vielleicht
war unter diesen vielen Defi-
nitionen des "Heiden" die eine
oder andere darunter, die euch
zusagte, vielleicht waren auch
welche darunter, die ihr aus
eurem eigenen Empfinden und Ver-
stehen heraus ablehnt, viel-
leicht ist euch die Bezeichnung
"Heide" klarer geworden, viel-
leicht seid ihr aber auch nur
verwirrt von den vielen und z.T.
gegensätzlichen Meinungen. Wenn
das der Fall ist, bedenkt bitte,
daß eine einheitliche Doktrin
oft das Kennzeichen totalitärer
Systeme ist und daß unsere Stär-
ke gerade in der Vielfältigkeit
der verschiedenen Richtungen
liegt, in der fruchtbaren Kri-
tik, die wir aneinander üben und
in der absolute Dogmen ein
schlechtes Rennen haben, und in
der Toleranz gegenüber anderen
Göttern, Philosophien und
Kulten als den eigenen. Oder,
wie es Geza v.Nemenyi bei einem
Glas Wein mir gegenüber einmal
ausdrückte: "Heidentum? Das ist
Vielfalt statt Einfalt!"
Michael Frantz
15
» MAGIE is es, in Harmonie mit Mutter Erde zu leben. «
Ein meditativer Essay von Arivey J. Kronshage
Ich werde hier von Magie spre-
chen! Nicht von der Magie des
Illusionisten, sondern von der
Magie unserer Mutter Erde, die
uns hinführt zum ganzheitlichen
Verständnis der Welt.
Es ist die Magie von Sonne
und Mond; die Magie der Planeten
und Sterne. Ich will von der
leisen Sprache unserer Mutter
Erde reden. Vom Flüstern des
Windes, vom Raunen und Knarren
der Bäume, vom Plätschern des
Baches, vom Weben des sichtbaren
und unsichtbaren Nebels und von
der sehr leisen Sprache der
Steine, die trotzdem sehr nach-
drücklich und kräftig ist und
den längsten Bestand hat.
Auch von dir will ich spre-
chen und den Stimmen in dir: Vom
Rauschen des Blutes, vom Pochen
des Herzens, vom Strömen des
Atems und letztlich auch von den
Gedanken...
Ich will ein Lied singen
vom Werden, Sein und Vergehen
und vom Neuentstehen. Das Lied
unserer Mutter Erde.
Tanze, mein Freund, wie der
Wind im hohen Sommergras. Wiege
dich wie ein junger Baum im
16
Wind. Tanze mit dem Lauf von
Sonne und Mond. Webe beim Tanz
die Fäden der Ewigkeit. Tanze
und öffne das Tor zur Anders-
welt.
ENT
N
a
Oh wie gleichgültig ist's,
wo du weilst, weißt du dir einen
Ort der Kraft zu schaffen. Tanze
und webe die Fäden im magischen
Kreis - doch wisse: Jeder Ort
auf Mutter Erde ist heilig.
Jeder Ort ist heilio, wie auch
alles, was an und in dir ist,
heilig ist. Du bist nicht von
Mutter Erde verschieden. Du bist
ein Teil von ihr. Dies dir zwm
Geleit.
Hege bei allem, was du
tust, die höchsten Gedanken der
Erkenntnis und verdamme nichts.
Nach und nach wirst du
verstehen. ..und lieben lernen.
Leichtsinn ist kein Wagemut.
Neugier ist kein Wissensdurst.
Wirf einen Stein ins Wasser: Er
zieht runde Kreise. Du kannst
auch einen eckigen Stein hinein-
werfen. Auch er wird runde
Kreise erzeugen. Alles, was rund
ist, ist ein Abbild der Ewig-
keit: Mutter Erde ist rund,
Sonne und Mond sind rund und
auch ihr Lauf am Himmel be-
schreibt einen kreisförmigen Bo-
gen. Wenn viele
Menschen anwe-
send sind und
sie wollen mit-
einander spre-
chen,setzen sie
sich in einen
Kreis. Wenn wir
mit den Göttern
und Göttinnen oder mit den Kräf-
ten, die uns umgeben, spre-
chen wollen, dann tun wir das
auch in einem Kreis. Ein Symbol
ist der Kreis für Einheit und
Ganzheit.
Der Kreis kann ein Ort der
Meditation sein, ein Tempel
oder, wie ich sage, ein beson-
ders markierter Kraftplatz. Du
kannst, wenn du magst, überall
dort, wo Energiefäden sich kreu-
zen, einen Kreis anlegen. Du
mußt nur schauen lernen. Es sind
viele besondere Kraftplätze in
deiner Nähe. Lerne, sie zu er-
kennen, das Netz zu schauen und,
wenn du magst, such den einen
oder anderen Verknüpfungspunkt
auf und errichte einen Kreis.
Von Zeit zu Zeit wird es
vorkommen, daß du an dem von dir
ausgewählten Ort Spuren anderer
Wissender fin-
dest, die vor
dir dort waren -
vielleicht sogar
in lang verges-
sener Zeit. Er-
‘helle mit deinem
Licht, mit deinem Wissen ihre
Spuren, huldige ihren Mühen,
nach Erkenntnis zu streben und
wirke in Harmonie mit dem, was
du findest, in Harmonie mit Mut-
ter Erde. Mutter Erde ruft dich
und ihre Worte hallen in mir
nach: Komm! Zieh deine Kreise!
Schaffe Orte der Erkenntnis, der
Meditation und der Einsicht.
17
Mutter Erde ruft dich, mein
Kind! Beginne zu verstehen... Du
und Mutter Erde sind eins, du
bist ein Teil von ihr. Darum
wisse: Was du zum Heil der
Mutter Erde erwirkst, erwirkst
du letztendlich zu deinem eige-
nen Heil.
Du wirst lernen, durch Zeichen
und Symbole das Wirken der
Schicksalsfäden zu erkennen. Die
Zukunft wird dir vorkommen wie
ein Webmuster, verknüpft aus
Ursache und Wirkung. Du wirst
das Muster lesen lernen, doch
sei auf der Hut! Die Geheimnis-
se, die du schaust, sind nur für
dich bestimmt. Andere Menschen
werden dir nicht glauben, wenn
du ihnen erzählst, was du
siehst. Sie werden, was du ihnen
sagen willst, nicht verstehen.
Wenn du über das redest,
was du siehst, wirst du über
Licht und Schatten reden müssen,
über Hell und Dunkel. Doch nie-
mand liebt die Schatten, niemand
liebt das Dunkel. Darum ist es
besser zu schweigen.
Laß allem seinen Lauf und
misch dich nicht ein in das
Schicksal. Du bist nicht hier,
um mit den Nornen zu kämpfen.
Laß sie die Schicksalsfäden ver-
weben und störe sie nicht dabei.
Erleichtere den Nornen ihr Werk.
Erkennst du ihre Muster, dann
schau - aber schweig!
18
Auf Mutter Erde ist kein
Platz mehr für Fallensteller und
Menschen, die Macht mißbrauchen!
Jeder mag sein Spiel spielen -
aber keiner soll andere Menschen
knechten. Jeder von uns hat
genug Kraft, seinen eigenen Weg
zu finden, die Götter und Göt-
tinnen zu ehren. Jeder mag es
auf seine Weise tun. Doch nie-
mand soll glauben, er sei besser
als andere Menschen, nur weil er
dieses oder jenes tut, dieses
oder jenes erreicht hat. Wir
alle sind auf dem Weg der Er-
kenntnis - auch jene, die erst
am Anfang stehen.
Die Freunde heiß ich will-
kommen. Den Arglistigen biete
ich mein Schwert der Unterschei-
dung und zahle Aberwitz mit
Wahrheit.
Laß alles in seinem "So-
Sein" und wisse, jeder hat sein
eigenes Maß. Was dem einen qut
erscheint, dünkt dem anderen
mangelhaft. Beurteilungen erfor-
dern einen Maßstab. Doch einen
allgemeingültigen Maßstab gibt
es nicht. Du kannst nur deinen
eigenen Maßstab benutzen. Er ist
nur für dich gültig. Du kannst
niemanden zwingen, ihn anzuer-
kennen.
Laß dem Wasser seinen Lauf
und behindere es nicht, sondern
strebe nach Einsicht und Er-
kenntnis. Sag niemandem, was er
tun oder lassen soll, und
urteile nicht für andere. Laß
jedem Menschen seine Freiheit,
so zu leben, sich so zu entfal-
ten und das Göttliche so zu
suchen, wie er es will und misch
dich nicht ein. Gib deinen Rat
nur, wenn man dich darum bittet.
Erweitere deine Sicht, indem du
beginnst zu akzeptieren, was um
dich geschieht. Lerne, andere
Menschen in ihrem spirituellen
Weg zu tolerieren, auch wenn sie
anders denken als du.
Laß dem Wasser seinen Lauf,
und lerne dich einzufügen in die
Harmonie der Welt, die sich
oerade in ihrer Vielheit und
Verschiedenheit offenbart. Du
bist nicht als Richter auf die
Welt gekommen, sondern um zu
lernen, deine innere Harmonie zu
finden und anhand dieser inneren
Harmonie die große Harmonie
unserer Mutter Erde zu verste-
hen. Lerne, erkenne und sei
frei!
Du hast alle Freiheit, die
du brauchst. Du hast keinen
Meister oder Guru, der dir Be-
schränkungen auferlegt, sondern
die ganze Welt ist dein Lehren.
Du liest aus dem großen Buch der
Natur und kannst für dich selbst
entscheiden, deinen eigenen Weg
wählen. Regele dein Leben, wie
du es für richtig hältst. Nie-
mand zwingt dich, etwas zu tun,
das du nicht selber willst. Es
genügt, wenn du dich allem, was
um dich ist, öffnest, aber auch
nach innen lauschst und schauen
lernst, was der Moment von dir
fordert. Jeder Moment trägt die
Weisheit der ganzen Welt in
sich!
19
Neuheidentum im
Deutschland der Gegenwart
Heidentum - wie ein seltsamer
Begriff aus grauester Vorzeit
erscheint vielen Menschen der
Gegenwart dieses Wort, verbun-
den mit geheimnisvollen und ver-
botenen Empfindungen aus "barba-
rischen" Epochen. Es ist aber
nicht nur die Ebene persönlichen
Gefühls, um die es
hier geht. Heidni-
sche Religiosität
manifestiert sich
z.T. schon seit
Jahrzehnten im
deutschsprachigen
Raum in zahlrei-
chen Gruppen mit
mehr oder weniger fest ausge-
prägten weltanschaulichen Syste-
men. In den letzten zehn Jahren
ist es nun in verstärktem Maße
zu Gruppenbildungen gekommen, so
daß auch die Kirche schon nicht
mehr über die "zunehmende Gefahr
des Neuheidentums" hinwegzusehen
vermag. Bevor wir die einzelnen
Strömungen. näher skizzieren,
seien deshalb einige gemeinsame
Grundzüge heidnischer Weltan-
schauung angesprochen:
- Zunächst einmal verknüpfen sie
ihre religiöse Neubesinnung mit
vorchristlichen Traditionen der
europäischen Kultur. Germanen,
Kelten, Slawen und die fienschen
20
der griechisch-römischen Antike
hatten alle sehr ausgeprägte
religiöse Gesinnungen und Kulte.
Sie alle fielen der erbarmungs-
losen Christianisierung zum üp-
fer - und was hatten die Chri-
sten schon als Ersatz zu bieten?
Deshalb
erkennen die meisten
\
Pr = \\
Heiden unserer Zeit, daß die
gesamte christliche Geschichte
des Abendlandes eine furchtbare
Fehlentwicklung war.
- Es gibt zweifelsohne eine gei-
stige Welt. Sie liegt nicht über
oder jenseits der wahrnehmbaren
Welt: Vielmehr ist alles Stoff-
liche nur äußere Ausdrucksform
einer ihr innewohnenden, geisti-
gen Kraft. Dies ist keine meta-
physische Spekulation, sondern
kann durch Selbsterfahrung und
parapsychologische Forschung
jederzeit erwiesen werden. MNaß-
stab alles Übersinnlichen ist
also nicht mehr blinder Glaube,
sondern die unmittelbare nersön-
a
+
i? j Zu y
HT ABK
BLU
liche Anschauung - ein grundle-
gender Unterschied zu den orien-
talischen Offenbarungsreligio-
nen. In dieser Sichtweise der
Dinge liegt das eigentlich Reli-
giöse des Heidentums. Kurioser-
weise gibt es aber auch athe-
istische und materialistische
Heiden, wie wir noch sehen wer-
den.
- Alle alten, vorchristlichen
Religionen gingen davon aus, daß
es eine Vielfalt göttlicher
Kräfte weiblichen und männlichen
Geschlechts gibt. Diese polythe-
istische Gottesvorstellung bil-
det einen ewig unlösbaren Gegen-
satz zu jenen Ein-Gott-Unterneh-
men der Monotheisten. Viele Men-
schen haben gerade erst in den
letzten Jahren instinktiv die
Wirklichkeit der polytheisti-
schen Sichtweise erfaßt
- während manche Heiden
noch das christliche
Gottesbild als elen-
den Ballast mit sich
herumtragen.
- Eine religiöse Welt-
anschauung wird sich
zumeist aus einer le-
bendigen geistigen Aus-
einandersetzung, einem
Erkenntnisprozeß heraus
entwickeln. In jedem
Fall wird es aber mehr
sein, als bloß intel-
lektuelles Wissen: Wir
werden auch eine prä-
zise Verwirklichung
religiöser Ideen im menschlichen
Verhalten und in der Lebensfüh-
rung erwarten. Hier finden wir
bei vielen Menschen eine Rück-
kehr zum Ursprünglichen und Na-
türlichen, sei es in der Ernäh-
rung, der Sexualität, der Sprac-
he oder der erstrebten Alltags-
arbeit. Ein heidnisches Bewußt-
sein wird deutlich, auch ohne
intellektuellen Hintergrund. Was
mag wichtiger sein?
Auch im bewußten kultischen
Tun, in Gebräuchen, Ritualen und
bewußtseinswandelnden Praktiken
manifestiert sich heidnische
Gesinnung. Einige Heiden nehmen
hier eine ziemlich ablehnende
Haltung ein. Damit geraten sie
dann aber in den Widerspruch zur
gesamten Religionsgeschichte
einschließlich
aller Völker,
unserer eigenen Überlieferung.
- Für fast alle Heiden ist die
uns umgebende Natur ein Ausdruck
göttlicher Kräfte, wenn nicht
sogar das Göttliche selbst. Die
Heiligkeit der Natur führt zu
einer Heiligung des Lebens im
Gegensatz zu Erlösungssehnsucht
und Nihilismus. Diese Sichtweise
kann in großen philosophischen
Entwürfen zum Ausdruck kommen
(Pantheismuss), sie kann sich
jedoch auch ganz unmittelbar als
das Erkennen der Beseeltheit von
Steinen, Pflanzen oder bestimn-
ten Orten niederschlagen. Gerade
in diesem Punkt zeigt sich die
wichtigste zeitgenössische 3e-
deutung des Heidnischen: Nämlich
als geistiger Hintergrund (oder
vielleicht auch tiefere Ursa-
che?) der Naturschutz- und Üko-
logiebewegung.
Sicher gibt es noch andere
wichtige Erkennungsmerkmale für
die heidnische Bewegung. wir
wollten mit unseren 5 Punkten
auch keine Dogmen einführen,
sondern einfach einige Anre-
gungen für den Leser geben.
Vielleicht stellt er dann fest,
daß er selbst eine innere Be-
ziehung zum Heidentum hat, ob-
wohl ihm das bisher noch gar
nicht bewußt war? Im Folgenden
wollen wir den Versuch unterneh-
men, die große Vielfalt der
heidnischen Bewegung im Deutsch-
land der Gegenwart aufzuzeigen
und ihre verschiedenen Strö-
22
mungen zu verdeutlichen.
Hier haben wir zunächst
einmal jene Gruppen, die einen
gewißen Anteil an der Loslösung
der Menschen vom kirchlichen
Machtanspruch haben, einer ge-
schichtlich unabdingbaren Vor-
aussetzung für die Entwicklung
eines neuen religiösen Weltbil-
des: z.B. die Freidenker, die
mit ihrem Kampf für die zivile
Feuerbestattung, die Jugendweihe
und ein freies Schulwesen be-
reits im vorigen Jahrhundert
kirchliche Machtstrukturen an-
griffen. Die Verbindungen zum
liberal-sozialistischen Spektrum
sind natürlich bei dieser Bewe-
gung unübersehbar - deshalb wird
man nach einer glaubwürdigen
metaphysischen Neuorientierung
hier vergeblich suchen.
Anders steht es schon mit
der unitarischen Sewegung, die
für viele religiös-philosonhi-
sche Ansätze offen ist und damit
ein Paradeheispiel für echte
Toleranz geworden ist. Für die
deutschen Nnitarier wollen wir
zwei llanen hervorheben: Sigrid
Hunke, die in einigen bahnbre-
chenden Büchern (u.a. "Europas
andere Religion") ein spezifisch
europäisches Weltbild als unbe-
wußte Unterströmung in Philoso-
phie und Theologie nachgewiesen
hat, und dies in den letzten
1000 Jahren! In diesem Weltbild
geht es darum, daß Geist und
Materie, Gott und Itelt letztlich
keine Gegensätze, sondern un-
trennbar verbunden sind. Ein
anderer bedeutender Unitarier
ist Dieter Vollmer, der als
Verkünder eines religiös-philo-
sophisch wie auch wissenschaft-
lich nachvollziehbaren Sonnen-
kultes auftritt. Die Sonne als
Urkraft des Lichtes und Lebens
wie auch aller Erleuchtung - ein
Urmotiv indogermanischer Fröm-
migkeit ist hier von Vollmer
bewußt gestaltet worden. Leider
hat man den Eindruck, daß die
Unitarier durch die Spannweite
ihrer Toleranz klare Stellung-
nahmen als Institution vermei-
den, was die religiöse Substanz
anbetrifft. Auch ist die
Srundeinstellung eben doch mehr
philosophischer Natur, wobei
genau wie im Protestantismus das
Mythisch-Symbolische und Kul-
tisch-Irrationale vernachlässigt
wird.
Gewiße Ähnlichkeiten beste-
hen mit der "Artgemeinschaft",
die jedoch noch viel stärker auf
die alteuropäischen Wurzeln
unserer Kultur und Ethik hin-
weist. Das Religiöse wird hier
als untrennbar vom geistig-see-
lischen Erbe des Menschen be-
trachtet. Damit ist die seeli-
sche Eigenart des altskandinavi-
schen Menschen in dieser Weltan-
schauung der entscheidende Maß-
stab für alle Glaubensinhalte.
Da es sich hierbei weitgehend um
eine kulturpsychologische Inter-
pretation weit zurückliegender
Zeiträume der Menschheitsge-
schichte handelt, fehlen natür-
lich auch echte empirische Be-
weise für die hier aufgezeigten
Eigenarten. Im Ergebnis kommt es
dadurch zu einer religiösen und
psychologischen Abgrenzung zwi-
schen alteuropäischen und außer-
europäischen Kulturkreisen, die
oft mehr dem persönlichen
Hochmut als der eigenen religiö-
sen Bewußtwerdung dient.
Die Artgemeinschaft hat
ihre Glaubensvorstellungen in 13
Sätzen zu einem "Artbekenntnis"
zusammengefaßt, das ethisch,
philosophisch und theologisch
gut durchdacht ist. Dennoch ist
eine gewiße abstrakte Blässe und
23
ein Druck zum Bekenntnishaft-
Lutherischen deutlich, was in
deutlichem Gegensatz zur wirkli-
chen Religion der alten Nordmen-
schen steht. Bekenntnisse in
wohlformulierten Gedanken sind
ein Erbstiick christlicher Theo-
logie, während das alte Heiden-
tum sich ja gerade durch leben-
dige, mythische Schau und kul-
tisch-magisches Tun auszeich-
nete. Leider gibt es führende
Männer in der Artgemeinschaft,
die die magisch-animistischen
Inhalte der altgermanischen Re-
ligion gern unter den Teppich
kehren möchten. Dies steht je-
doch im wWiderspruch zu allen
religionswissenschaftlichen Er-
kenntnissen, besonders auch, was
das kultische Srauchtum be-
trifft,
In diesem Zusammenhang wal-
len wir auch die Ludendorff-
Bewegung erwähnen. Sie beruht
auf den nhilosophischen Arbeiten
von Mathilde Ludendorff, in der
sie Mystik und Pantheismus, auf-
bauend auf naturwissenschaftli-
chen Erkenntnissen, verbunden
hat. Ihr Weltbild sah sie in
scharfen Widerspruch zur christ-
lichen Religiosität, deren ver-
hängnisvolles Wirken sie wirk-
lich überzeugend bloßgestellt
hat. Dabei hat sie dann aller-
dings Zusammenhänge zwischen
jüdischer Religion, christlicher
Kirche und modernen Mysterien-
bünden wie der Freimaurerei her-
24
gestellt, die zu großangelegten
Verschwörungstheorien führten
und höchst bedenkliche, paranoi-
de Erscheinungen im Bewußtsein
ihrer Anhänger erzeugten. Die
Ideologen des NS-Staates bedien-
ten sich natürlich ausgiebig
dieser Konstruktionen, obwohl
sich die Ludendorff-Sewegung
selbst nis hundertprozentig in-
tegrieren ließ. Wir empfehlen
das Studium ihrer beiden Werke
"Erlösung von Jesu Christo" und
"Triumsh des Unsterblichkeits-
willens" zur Einführung. Ein
gewisser Personenkult um die 3e-
gründerin dieser 3ewegung, der
manchmal zu bemerken ist, wäre
eigentlich überflüssig - denn
ihr Gbedankenaut wirkt auf jeden
Leser von selbst.
Die "Deutschgläubige Se-
meinschaft", die bereits 1911
gegründet wurde, baut auf den
Forschungen von Otto 5. Reuter
auf, der durch seine insogerma-
nistischen Studien einen großen
Teil der Edda-Symbolik astralmy-
thologisch entschlüsselte und
sich auch konsequent vom christ-
lichen Denken löste. Auch das
Studium des Volksbrauchtums wird
in diesem Kreise ernsthaft be-
trieben - wenngleich auch noch
eine gewisse Scheu vor der magi-
schen Praxis des Rituellen be-
steht. Leider betreiben manche
Aktivisten der Gemeinschaft eine
Verquickung des Mythos mit der
Philosophie des 18. Jahrhun-
derts, was uns den Zugang zum
Ursprung eher vernebelt.
Anzumerken wäre zur Namens-
gebung der Gemeinschaft, daß
sich die erarbeiteten religiösen
Inhalte keineswegs auf die Über-
lieferungen des deutschen
Kulturkreises beschränken. Die
altnordische Mythologie befindet
sich bekanntlich an der Wurzel
einer europäischen Kultur, in
der die späteren, nationalstaat-
lichen Kulturen noch gar nicht
existierten. Demzufolge kann man
nicht Briten, Franzosen, Skandi-
navier und z.B. die Osteuropäer
aus der menschlichen Gemein-
schaft dieser Religiosität aus-
grenzen und sie auf Deutsche
beschränken. Dies wird wohl auch
von der Gemeinschaft gar nicht
angestrebt, kommt aber in der
Namensbezeichnung mißverständ-
lich zum Ausdruck.
Zu den mehr aus esoteri-
scher Weltsicht wirkenden
Gruppen zählt z.B. der Goden-
Orden, der in früheren Jahren
das Gralsmysterium, aber auch
Runenmystik und verschiedene
esoterische Forschungsrichtungen
pflegte. Der bekannte esoteri-
sche Schriftsteller K.O. Schmidt
wirkte in dieser Gruppe mit.
Seit das Ehepaar Gabke hier die
Führung übernommen hat, scheinen
sich die Goden immer intensiver
mit der germanischen Überliefe-
rung und dem Göttermythos zu
befassen.
Von größter Bedeutung für
eine lebendige Zuwendung zu
unseren einheimischen Gottheiten
wurden schließlich die Aktivi-
täten des Armanen-Ordens. Erst-
mals in der Geschichte des deut-
schen Heidentums stand die Ver-
tiefung in das Wesen unserer
Göttinnen und Götter im Vorder-
grund - und nicht irgendwelche
halbchristlichen, unausgegorenen
Ideen. Die beste deutsche Edda-
Übersetzung (Simrock) wurde neu
herausgegeben, viele alte Feste
und Volksbräuche mit großem
künstlerischen und rituellen
Aufwand wieder eingeübt. Aber
auch das Studium der okkulten
Wissenschaften, die uns allein
den Schlüssel zu vielen alten
Überlieferungen geben, wird
nicht vernachlässigt. Bei all
dem ist disser Orden offen für
Kontakte zu anderen heidnischen
Gruppen und verwandten Bewe-
gungen, so daß ein intensiver
geistiger Austausch und viele
neue Wege eröffnet werden. Die
zum Orden gehörende Guido
v.List-Gesellschaft hat bereits
einen Großteil der Werke des
z.T. okkult-theosophisch beein-
flußten Interpreten germanischer
Religiosität neu herausgebracht.
Erwähnenswert ist auch die
jährlich an den Externsteinen
stattfindende Machalett-Tagung,
die bereits seit Jahren ein
wichtiges Forum unabhängiger
heidnischer und esoterischer
25
Forscher darstellt. Hier werden
jedes Jahr auf zahlreichen Vor-
trägen Erkenntnisse ausgetauscht
und Verbindungen zwischen ein-
zelnen Heiden geknüpft.
Aus dem angelsächsischen
Sprachraum wirken zwei Bewe-
gungen zu uns hinein, die in
mehrfacher Hinsicht befruchtend
für das oftmals zu stark theore-
tisierende deutsche Heidentum
sein könnten: Zum einen die
Wicca-Bewegung, die auf der
Hexentradition beruhend den Kult
einer Großen Muttergöttin und
des Gehörnten Gottes vertritt.
Viele Gottheiten aus alter Zeit,
die z.T. bei unterschiedlichen
Gruppen aus sehr verschiedenen
Mythenkreisen stammen (griech.
Antike, Koypten, Vorderer
Orient) werden in der freien
26
Natur mit magischen Ritualen
verehrt. Praktische Magie
ist überhaupt wesentlicher
Bestandteil der Wicca-Akti-
vitäten, die sich nicht nur
| auf die Feste im Jahreskreis
beschränken. Gearbeitet wird
überwiegend in kleinen
; Gruppen (Coven). Viele Coven
haben die keltische Tradi-
tion aufgegriffen, es gibt
aber auch germanisch orien-
tierte Gruppen, wie z.B. den
a Hegsenkreis um den Njörd-
> Verlag. Zum anderen kommt
aus dem englischen Sprach-
«a raum die Findhorn-Bewegung,
EM die auf die Findhorn-Kommune
in Schottland zurückgeht. Hier
versucht man durch Schulung in-
tuitiver Schau den Kontakt zu
den Naturgeistern herzustellen,
die man zur Gesundwerdung
unseres zerrütteten Planeten
gewinnen möchte. Rückkehr zum
Biologisch-Gesunden, zum natür-
lichen Leben und Landbau gehören
zu den Zielen dieser Gruppe.
Auch Volkstänze aus verschiede-
nen Kulturkreisen werden geübt.
Die Findhorn-Foundation ist in-
ternational organisiert und ver-
fügt in der BRD über ein ausge-
zeichnetes Netzwerk.
Bei den Anthroposophen fin-
den wir eine sehr seltsame Syn-
these aus esoterischem Christen-
tum und dem Studium altheidni-
scher Inhalte. Positiv zu ver-
merken ist die intensive Be-
schäftigung mit der metaphysi-
schen Bedeutung der Jahreszei-
ten, was durchaus zu naturreli-
giösem Erleben führen kann. Auch
die Annahme des altgermanischen
Mythos als geistige Realität
bereits durch Rudolf Steiner (s.
"Die Mission einzelner Volkssee-
len" - 1918) und die Benutzung
des Volksmärchens als Erkennt-
nisquelle schaffen eine geistige
Verbindung zum heidnischen Den-
ken.
Ein sehr wichtiger Impuls
für das deutsche Heidentum ist
die geistig-religiöse Ausrich-
tung der Frauenbewegung. Viele
Frauen haben erkannt, daß das
Christentum niemals seinem männ-
lich-patriarchalichem Gottesbild
entsagen kann. So wandten sie
sich den alten Muttergöttinnen
zu, Demeter, Isis, Diana und
Astarte stehen als geistige
Mächte hinter dem berechtigten
gesellschaftspolitischen Kampf
der Frauen. Mondkulte, Mysteri-
enspiele und Tarotorakel mobili-
sieren dafür die notwendige
Kraft. Selbst in der evangeli-
schen Kirche bewirkt die Aktivi-
tät heidnischer Frauen lautstar-
ke Unmutsäußerungen verstaubter
Kleriker. Ein möglicher zukünf-
tiger Sprengsatz für das Chri-
stentum.
In Berlin gibt es seit 2 -
3 Jahren eine heidnische Gemein-
schaft, die besonders zielbewußt
auf die Ergründung der usprüng-
lichsten Überlieferungen germa-
nischen Heidentums ausgegangen
ist. Eine bemerkenswerte For-
schungsarbeit brachte sehr de-
tailliertte Ergebnisse in der
Rekonstruktion des jahreszeit-
lichen Brauchtums, der Edda-
Mysterien und der Kultstätten-
Forschung im Raum Berlin. In der
Runenesoterik und der altgerma-
nischen Astrologie kam es teil-
weise zu bahnbrechenden Findung-
en. \Wesentlichster Grundsatz
dieser Arbeit ist vor allem eine
möglichst authentische und ge-
treue Praktizierung dessen, was
im alten Heidentum wirklich vor-
handen gewesen ist. Dies birgt
jedoch auch die Gefahr einer
gewissen Orthodoxie in sich, die
nicht bedenkt, daß auch die
germanische Religion Wandlungs-
prozessen unterworfen war. Die
Widersprüche zwischen bloßer
heidnischer Nostalgie und tiefe-
rer esoterischer Durchdringung
wurden leider oftmals deutlich.
So kam es hier zu einer wahrhaft
enzyklopädischen Anhäufung von
Erkenntnissen über die Alte Re-
ligion - ohne daß man sich wirk-
lich Gedanken darüber machte,
wie die spirituellen Vorraus-
setzungen für die innere Aufnah-
me dieses Wissens geschaffen
werden können.
Wesentlichen Anteil an ur-
europäischen Traditionen nimmt
auch die Bewegung der Wikinger,
die in der Reproduktion altnor-
27
discher Kleidung, Waffen und
Schmuck und der Aufführung von
Schaukämpfen eine Wiederbelebung
altgermanischer Lebensart er-
strebt. Dies ist durchaus ein
religiöser Ansatz, was schon die
Tatsache verdeutlicht, daß die
Rückkehr zu bestimmten kulturel-
len Formen einer vorgeschichtli-
chen Ära eine Rückbindung (reli-
gio) an die eigenen, tiefsten
Wurzeln darstellt.
Am Rande erwähnt, weil
vielleicht von manchen nicht als
spezifisch europäisch bewertet,
seien noch die Kreise um die
verschiedenen 0TO-Gruppen (O0T0,
Crowley-Anhänger, Golden Daun,
Thelema). All diese Gruppen
zeichnen sich durch ein inten-
sives magisches Training aus,
daß manchem Hypersensiblem zu
Unrecht Angstgefühle verursacht.
Wichtige Grundlagen sind hier
z.B. die ägyptische Mythologie,
aber auch die Gralssymbolik,
sowie die polytheistische Symbo-
lik des Tarot-Spiels. Besonders
letzteres steht durchaus im Ein-
klang mit den indogermanischen
Mythenkreisen, so daß auch hier
heidnische Urinstinkte geweckt
werden. Leider ist aber eine
gewiße synkretistische Note
unverkennbar, besonders auch im
rituellen Bereich werden alt-
orientalische, mittelalterlich-
magische und kirchliche Elemente
auf gänzlich unverdauliche Art
und Weise vermischt. Auf jeden
28
Fall wird jedoch eine lebendige
Beziehung zu den Göttinnen und
Göttern auch in Verbindung mit
der persönlichen spirituellen
Entwicklung erstrebt, was jedem
interessiertem Heiden wichtige
Impulse aus dieser Richtung ver-
spricht. Hier sei auch die iri-
sche Fellowship Of Isis erwähnt,
die die Verehrung der Großen
Mutter in der Gestalt der alt-
ägyptischen Isis propagiert. In
Deutschland bestehen bereits
mehrere Gruppen.
Wer mun angesichts dieser
Vielfalt religiös-kultureller
Initiativen von Verzweiflung und
Verwirrung übermannt werden
sollte, bedenke bitte Folgendes:
Ein wesentliches Gesetz des kom-
menden Zeitalters besteht unter
anderem darin, daß kleine, unab-
hängige menschliche Zusammen-
schlüsse auch unterschiedlich-
ster Prägung in Beziehung und
Kommunikation zueinander treten.
Wenn im jedem dieser Zusammen-
schlüsse spezifische Erfahrungen
gemacht werden und trotzdem alle
bereit sind, voneinander zu ler-
nen, könnte die Wirklichkeit des
alten Heidentums durchaus wieder
zu Tage treten!
(Eine Liste mit Anschriften
der genannten Gruppen kann übri-
gens beim HAIN angefordert wer-
den.)
Matthias Wenger
Die heilige Nacht
Der Schnee knirscht unter unse-
ren Stiefeln, als wir aus dem
Dickicht des winterlichen Waldes
auf eine Lichtung treten. Fahl
leuchtet der Mond auf die Erde
hinab und dennoch glitzern MNy-
riaden von Eis- und Schneekri-
stallen in diamantenem Glanz. So
erwartet uns heute, im Dunkel
der Eisdämonen, an denen wir uns
im Walde vorbeigestohlen haben,
unser Heiligtum: Die Erde der
Lichtung bedeckt bis zu den
Waden mit Schnee, umsäumt von
den riesigen, dunkelgrünen, na-
delbewehrten Eiben, deren Zweige
wie Mäntel des Schutzes die
heilige Stätte in sich bergen -
und darüber die funkelnden Lich-
ter des winterlichen Himmels,
das unendliche Heer der Sterne
mit der Milchstraße.
So begibt sich die kleine
Gruppe von vierzehn Personen
langsam stapfend zum Mittelpunkt
der Lichtung, alle eingehüllt in
dicke Mäntel oder Pullover, über
die manche ein weißes, Tunenge-
schmücktes Lei-
nengewand tragen.
Flüsternd und ge-
stikulierend be-
| ginnen sie, auf
einer vielleicht
neun Quadratmeter
großen Fläche den
Schnee beiseite
zu räumen, um dort einige kleine
Gegenstände zu deponieren. Einer
von ihnen, nennen wir ihn Madal-
win, stellt ein dreibeiniges
Tischchen aus dunklem Holz auf
die weiße Erde. Andere stellen
ein paar verschlossene Krüge
daneben und legen einige Trink-
hörner, Räucherwerk, Brot und
Fleisch auf das Tischchen. Ei-
nige zittern dabei, klappern mit
den Zähnen, denn die eisige
Nachtluft kriecht ihnen unbarm-
herzig in die Knochen, wenn sie
bewegungslos in ihr verharren.
Ein etwas größerer Mann
schwingt ein Bündel Holz, das er
auf der Schulter getragen hatte,
vor sich auf den Boden.Nun be-
ginnen sie alle, die zuvor neu-
gierig schweifend das Heiligtum
erkundet haben, enger zusam-
menzurücken - in ihrer Mitte das
Bündel mit dem Holz, das drei-
beinige Tischchen und noch ei-
nige andere, seltsame Gegenstän-
de, deren Bedeutung dem Uneinge-
weihten nicht so ohne weiteres
erschließbar ist. Schweigend,
frostgerötet, mit etwas unsiche-
rem Blick schauen sie sich an,
die vierzehn Männer und Frauen -
erwartungsvoll und aufmerksam
die Einen, etwas leidend und
gequält von dem langen Marsch
durch die kalte Waldesfinsternis
die Anderen.
29
Und nun erhebt Madalwin die
Stimme: "Eisige Kälte lähmt das
Leben der Erde und der Menschen-
leiber. Aber tief in uns und im
Schoß der Hel glüht ein Funken
unsterblichen Lichtes. Wird die-
ser Funken zur Flamme werden?"
ee BR
ESER SERIE,
Da |
Die anderen heben ihre Arme
empor und schauen in die Unend-
lichkeit des sternenfunkelnden
Himmels. "Jäger, Fürst der fern-
sten Himmelsräume und des alles-
durchdringenden Äthers: Reite
hinab mit Deinem weißen Schim-
mel, WOTAN-ODIN, komm hinab auf
den leidenden, froststarren Leib
unserer Mutter Erde!" So rufen
sie alle ihre Sehnsucht hinaus
in die längste aller Nächte.
Nun sammeln sich die sieben
Frauen der Gruppe um den hölzer-
30
nen Altar, das dreibeinige
Tischchen. Sie winkeln ihre Arme
ab vom Körper, die Handflächen
zur Erde gewandt, spüren wie die
Schwere sie hinabsaugt, Erden-
tiefe, lebendig und pulsierend.
Durch den Schnee und das Eis,
durch die hartgefrorene Haut von
FRIGGAS Körper, der die Erde
ist.
Und ihre Lippen formen sich
zu schmalen Rauten, denen sich
im Chor gemeinsamen Raunens ein
heller, sanfter Ton entringt:
"Y-y-y-r-r." Ihre Kehlen vi-
brieren, ihre Handflächen sind
erfüllt von Schwingungen und
glänzen von der Kraft, die sie
aus der Erde emporziehen. Im
Kreis stehen die Männer um die
Frauen herum, die Arme weiter
emporgehalten mit zum Kelch ge-
öffneten Händen. Der nächtliche
Wind streicht über ihre Finger,
Prana aus den verborgensten Win-
keln des Alls, das jetzt durch
die Arme entlang in ihre Herzen
gleitet.
Abwechselnd raunen sie die
Mantren der Göttinnen und Göt-
ter. "F-R-I-G-6-6-G-A-A" die
Frauen, "0-0-0-D-I-I-N-N-N" die
Männer. Kraftvoll verströmen die
heiligen Namen in die Weite des
Heiligtums, bis ihre Schwingun-
gen im nadligen Dunkel der Eiben
verhallen. Ungezählte Male rufen
sie so, abwechselnd die tiefen
Stimmen der Männer und jene hel-
len der Frauen.
Plötzlich kniet eine von
den Frauen, angetan mit einem
dunklen Mantel und einem Reif in
ihrem kastanienbraunen Haar, vor
dem kleinen Holzaltar nieder.
Aus einem Lederbeutel zieht sie
eine dicke, runde Holzscheibe,
in deren Mitte sich eine Ver-
tiefung befindet. Sie legt die
Scheibe auf den Altar, dreht
sich selbst in Richtung der
Männerrunde, bis ihre großen,
traumschweren Augen auf dem Ant-
litz Madalwins ruhen.
Er löst sich aus dem äußeren
Kreis und schreitet langsam zur
Priesterin am Altar. Aus einer
Tasche zieht er einen dicken,
runden Holzpflock. Er kniet nie-
der vor der Frau mit dem Stirn-
reif und sie legt segnend die
Hände auf sein Haupt: "Geweihte,
die Nacht der Mütter ist es,die
uns hier vereint. Und zur Mutter
wird die Erde noch heute, wenn
Speer und Kessel sich einen!",
Nun fügt Madalwin den hölzernen
Pflock in die runde Holzscheibe
und beginnt, ihn zu drehen - es
knirscht und kratzt, ein geheim-
nisvoller Geruch geht von der
Stelle aus, an der das Eschen-
und das Ulmenholz aneinanderge-
rieben werden. Wie gebannt star-
ren nun die Übrigen aus dem
äußeren Kreis und die Frauen im
Herzen des Heiligtums auf den
rasend rotierenden Holzpflock
und die Scheibe, die von der
Priesterin mit unnachgiebiger
Festigkeit auf dem Altar gehal-
ten wird. Glühend rot vor An-
strengung wird das Gesicht Ma-
dalwins und erste Schweißtropfen
stehen auf der Stirn.
Und siehe da - dünner Qualm
steigt aus der Öffnung in der
Holzscheibe auf, an der Seite,
an der Madalwins Hände den Holz-
pflock bewegen, springen Funken
hervor, die hinabfliegen und im
Schnee verlöschen. Ein rotblon-
der Junge löst sich aus dem
Kreis, wirft etwas Stroh auf die
Scheibe, das sofort in Flammen
aufgeht. "AGNI, IGNIS, INGWI-
FREYR!" - ein lautes, freudig
erregtes Geschrei wird jetzt in
dem Kreise laut und ein anderer
wirft das brennende Stroh
schnell auf das nebenbei liegen-
31
de Holzbündel, das sehr rasch zu
einem größeren Feuer wird. Ma-
dalwin umarmt die Priesterin
lachend und küßt die rasenden
Chakren der Strahlenden vom
Solar-Plexus bis zu ihrem Schei-
tel voller Leidenschaft.
"GEFION, FJÜRGYN, heilige
Mutter, die Du das Licht schufst
in der Tiefe Deines Leibes,
gesegnet seist Du!" So betet
Madalwin voller Freude, als er
vom Kehlkopfchakra zum Stirn-
chakra der Priesterin übergeht.
Sie öffnet ihren Lederbeutel
noch einmal und holt einen Ei-
benzweig hervor, an dem noch die
roten Früchte glänzen. Sie hält
ihn in die Runde, damit ihn
jeder sieht und alle wissen
sollen: "Unsterblich ist der
Urgrund der Erdenmutter, alle
immergrünen Bäume künden uns
davon."
Die Gesichter der Feiernden
sind jetzt freudig und gelöst,
spiegeln den Schein des Feuers
wieder, das in ihrer Mitte
brennt, ihnen Licht und Wärme
spendet. Noch ist dieses Feuer
klein und unscheinbar wie ein
zartes Baby kurz nach der
Geburt. Aber in kommenden Nion-
den, wenn das Jahr fortschrei-
tet, wird das Feuer der Sonne,
von der das Julfeuer nur irdi-
sches Abbild ist, zur mächtigen
Flamme werden. YNGWI-FREYR nann-
ten ihn die alten Skandinavier,
jenen Gott, der die Strahlen
32
seines Lichtes in die Früchte
des Feldes, die Leiber der Tiere
und der Menschen sendet und ihre
Kräfte aufsteiaen läßt zur Höhe
der Lebenslust.
Die vierzehn Männer und
Frauen bilden jetzt einen einzi-
gen Kreis, fröhlich tanzen sie
in Richtung des Sonnenlaufs um
das löodernde Feuer und singen
ein Lied zu Ehren des jungen,
schönen Gottes in ihrer Mitte.
Die Priesterin löst sich von
ihnen und schreitet zum Altar,
wo sie die Onpfergaben an die
Gottheiten vorbereitet. Auf ein
Zeichen von ihr beenden die
anderen ihren Tanz, und blicken
erwartungsvoll auf die Hohe. Sie
hält nun in ihrem einen Arm
einen Korb, in dem sich Fleisch-
und Brotstücke befinden, das
Fleisch eines wilden Ebers,den
heiligen Tier Y!!GWUI-FREYRS und
einen Weizenbrot, das der Mutter
der Erde geweiht ist.Schweigend
teilt sie jedem etwas davon aus.
Alle verzehren es langsam kau-
end, manche halten ihre
Schwurhand über dem Fleisch und
geloben dem Lichtgott etwas für
das kommende Jahr. Dann macht
sich die Priesterin wieder am
Altar zu schaffen, wo sie gold-
gelben Met in ein langes ge-
wundenes Horn gießt. Sie reiht
sich mit den Metkrügen in den
Kreis der Feiernden ein, worauf
das Horn ununterbrochen von Hand
zu Hand, won Mund zu Mund geht.
Jeder weiht es dem Gott oder der
Göttin, für die die Priesterin
das Horn bestimmt hat und rich-
tet seine Bitten an die Hohen.
Die Namen FREYRS, ODINS, FRIGGAS
und BRAGIS hört man in dem vom
Lichtschein des neuen Jahres
erleuchteten Kreis. Wie ein gol-
denes Band, das alle in Liebe
umschließt und zu einem Bollwerk
gegen die frostklirrende Nacht
werden läßt, gleitet das Methorn
in ständigem Umlauf von Mann zu
Frau, von Frau zu Mann.Während
sich in die Bitten an die Götter
Glückwünsche an Freunde und Ge-
liebte mischen, werfen einige
neue Äste und Reisig ins Feuer,
Nahrung und lebenspendende Kraft
für den jungen Gott des neuen
Jahres. Heiligste aller Nächte!
Der starke Honigwein und die
wärme des kultischen Feuers läßt
bald die Wangen erröten und
wieder vereinen sich alle zu
einem rasenden Tanz um Flamme
und Altar. Altbekannte Lieder
ertönen, aber nicht voller
Ehrfurcht und mürrischer Andacht
wie in den Gewölben des Gekreuz-
igten. Nein, voller Freude und
Verlangen sind sie, nach der
unbändigen Lust der kommenden
Jahreshälfte.
Später, machdem das Feuer
niedergebrannt ist, nimmt jeder
etwas von der Holzasche und
einige angekohlte Holzstücke -
seit urältesten Zeiten gilt
dies als fruchtbar und segen-
bringend - man bewahrt es auf
bis zum Julfest des nächsten
Jahres.
Als die kleine Gruppe nach
langem Marsch aus dem Waldhei-
ligtum in die Stadt wieder den
U-Bahnhof betritt, erscheint ihr
alles in einem etwas freund-
licheren Licht: Das kalte tech-
nologische Gepräge der Bahnhofs-
architektur, die mürrischen,
freudlosen Gesichter der Men-
schen - alles scheint einer son-
nigen, festlichen Stimmung gewi-
chen zu sein und erglänzt wie
verwandelt. Wiedergeburt des
Lichtes - in den Herzen der
Menschen. So erlebten wir die
erste der heiligen zwölf Nächte.
Thorgaard
33
34
Die Mistel
Die Mistel ist eine recht un-
scheinbar wirkende Pflanze, die
hoch auf Bäumen wächst. Sie
ähnelt einem größeren Vogelnest
- meist kugelförmig in der be-
stalt - und ist im Laub der
Baumkronen oft schwer auszuma-
chen. Erst im Spätherbst oder
Winter ist die Mistel auf Spa-
ziergängen im Wald oder auch in
Parkanlagen leichter erkennbar.
Die Mistel ist ein buschar-
tiges Gewächs, das in unseren
Breiten recht exotisch anmutet.
Die immergrünen, länglich-ova-
len, ledrigen Blätter sind an
den Enden der stark verzweigten
Äste paarweise angeordnet. Aus
den Knospen zwischen den paari-
gen Blättern entstehen im näch-
sten Jahr zwei neue Zweige,
wobei die alten Blätter dann
abfallen. An der Anzahl der
dabei entstehenden "Knoten" kann
man das Alter einer Mistel ab-
schätzen. Die männlichen und
weiblichen Blüten sind getrennt
vorhanden, sitzen an den Ver-
zweigungen der Äste (Knoten) und
bei nur etwa 3 mm Größe recht
unscheinbar. Daraus entwickeln
sich im Winter weißliche bis
gelbe Beeren. Diese Beeren ent-
halten sehr klebrige Samen.
Je nach Art der Wirtsbäume
unterscheidet man drei Unterar-
ten der Mistel. Hauptsächlich
auf Laubbäumen wie Pappel,
Weide, Ahorn, Apfelbawm, sel-
tener Eichen wächst die eine
Unterart. Auf Weißtannen kommt
die zweite Unterart vor. Die
letzte schmarotzt auf Kiefern,
aber auch auf Fichten.
Die Mistel entzieht ihren Wirts-
bäumen die Mineralstoffe, die
sie zum Wachsen benötigt. Zur
Photosynthese ist die Mistel
selbst fähig, so daß sie für das
Wachstum wichtige organische
Substanzen selber produzieren
kann. Deshalb gehört die Mistel
zu den Halbschmarotzern.
Die Mistel ist in Mittel- und
Südeuropa, in Mittelasien nach
Osten hin bis nach Japan hei-
misch.
Seit Alters her wird die Mi-
stel als Heil- und Kultpflanze
verehrt. Da sie ohne Erde wächst
und im Winter Früchte trägt,
galt sie als heilbringende
Wunderpflanze. Die keltischen
Druiden schätzten sie sehr als
Mittel gegen Vergiftungen jeder
Art und zur Heilung von
Unfruchtbarkeit bei Tieren. Ins-
besondere die seltenen Misteln
auf Wintereichen - im keltischen
Raum galten diese Bäume als
heilig - wurden unter Abhaltung
besonderer Zeremonien gesammelt:
Weiß gekleidete Druiden schitten
die Mistelzweige mit goldenen
Zweige wurden mit weißen Tüchern
aufgefangen, ohne daß sie den
Boden berühren durften. Günstige
Zeiten für solche Zeremonien
waren der sechste Tag nach Neu-
mond - insbesondere zum Jahres-
beginn (nach der Wintersonnen-
wende), zum Frühlingsbeginn
(Tag- und Nachtgleiche) und nach
der Sommersonnenwende.
In der Baldersage der Edda ist
zu lesen, daß der blinde Hödur -
auf Lokis Anweisung hin - Balder
mit einem Pfeil aus einem MNi-
stelzweig (mistilteinn) bei ei-
nem Waffenspiel tötete. Die
Mutter Balders, Frigg, hatte
zuvor - auf eine Vorahnung Bal-
Sicheln. Die herunterfallenden |
ders hin - allen Naturwesen ei-
nen Eid abgenommen, ihrem Sohn
nicht zu schaden. Loki hatte
erfahren, daß die Mistel auf-
grund ihrer schwächlichen Er-
scheinung nicht unter diesen Eid
genommen wurde; so fertigte er
den oben erwähnten Pfeil aus
dieser Pflanze, um seinen sonst
unverletzlichen Rivalen aus dem
Weg zu räumen.
Im Volksglauben gilt die Mi-
stel als magisches Zeichen, das
böse Kräfte abhalten, manchmal
aber auch anziehen kann. Im
norddeutschen Raum ist überlie-
fert, daß Mistelzweige am Tor
aufgehängt das Haus vor Blitz-
schlag schützen. Andererseits
verwendete man in Galizien keine
Bäume als Bauholz, auf denen
35 |
Misteln wuchsen, da der Blitz
sonst einschlagen könnte. Rosen-
kränze und Amulette aus Mistel-
holz galten als besonders "wir-
kungsstark".
Um die Jahreswende ist es in
England und Frankreich üblich,
sich Mistelzweige an die Decke
des Wohnraumes zu hängen. Als
Weihnachtsschmuck wurde die Mi-
stel weit eher verwendet als der
Tannenbaum, der im 16. Jahrhun-
dert vereinzelt anzutreffen war,
aber erst seit dem 19. Jahrhun-
dert sich allgemein verbreitete.
Neujahr ohne "misteltoe" ist für
Engländer undenkbar, denn die
36
Mistel bringt Glück für das
ganze nächste Jahr.
In Siebenbürgen gab es den
Brauch, einen Nistelzweig mit in
den Brautkranz einzubinden, da
die Mistel - wie andere immer-
arüne Pflazen auch - als Frucht-
barkeitssymbol gilt. Auch auf
Hochzeitsmythen zurückzuführen
ist folgender Brauch aus Skandi-
navien: Wer unter einem Mistel-
busch angetroffen wird, darf von
jedem geküßt werden, solange
noch Beeren an dem Strauch
hängen. Bei jedem Kuß allerdings
wird eine Beere abgenommen.
Schon Hippokrates empfahl im
4. Jahrhundert vor Christi Ge-
burt die Mistel gegen "Milz-
sucht". Seit dem 15. Jahrhundert
wird Mistelkraut in vielen Kräu-
terbüchern als Mittel gegen
Schwindsucht genannt. Einem Ni-
stelzweig am Ring oder einem
Amulett aus Mistelholz wurde
nachgesagt, gegen "Fallsucht"
(Epilepsie) zu helfen. Alte Ei-
chen mit vielen Misteln wurden
zu Wallfahrtsorten für Leute,
die hofften, dort ihr Anfalls-
leiden loszuwerden.
Gegen Ende des 19. Jahrhun-
derts schien die Mistel aller-
dings in Vergessenheit geraten
zu sein. Erst Anfang des 20.
Jahrhunderts wurde eine blut-
drucksenkende Wirkung von Mi-
stelextrakten festgestellt, al-
lerdings nur im Tierexperiment.
Für die Krebstherapie wurden
Mistelpräparate 1920 von Steiner
- dem geistigen Vater der An-
throposophie - vorgeschlagen.
Erst in den letzten Jahren hat
man sich näher mit den Inhalts-
stoffen der Mistel beschäftigt,
und es wurden dabei mehrere
Wirkprinzipien festgestellt. Die
eine Substanzgruppe, die soge-
nannten Viscotoxine, zeichnen
sich durch eine bei Injektion
starke Ciftwirkung auf das Herz
aus. Weitere Substanzen - soge-
nannte Polysaccharide und vor
allem die "Lektine" - werden für
die turmorhemmende Wirkung ver-
antwortlich gemacht.
Die Wirkung von Mistelpräpara-
ten bei Sluthochdruck und gegen
Arteriosklerose ist bisher nur
in Tierexperimenten beobachtet
worden. Für eine entsprechende
Wirkung am Menschen liegen bis-
her keine ausreichenden Ergeb-
nisse vor. In der Krebstherapie
konnten allerdings im Rahmen
einer anthroposophischen Behand-
lung beachtliche Erfolge erzielt
werden. Verwendet werden hier
Mistelextrakte, die injiziert
werden. Durch spezielle Herstel-
lungsverfahren gelingt es, die
unerwünschte Wirkung auf das
Herz zurückzudrängen. Für die
Selbstmedikamentation ist aller-
dings die Krebstherapie nicht
geeignet.
Die Giftigkeit von oral einge-
nommenen Mistelzubereitunngen
ist gering. Nur bei Einnahme
sehr großer Mengen können Reiz-
erscheinungen an den Schleimhäu-
ten auftreten. Zum Einnehmen
bereitet man einen Kaltauszug:
Mistelkraut wird mit kaltem Was-
ser abends angesetzt, über Nacht
läßt man ziehen und trinkt den
Extrakt dann morgens je nach
Belieben kalt oder aufgewärmt
auf nüchternen Magen. Die im
allgemeinen übliche Dosierung
von 2,5 Gramm (ca. 1 gehäufter
Teelöffel voll) Mistelkraut auf
1 Tasse Wasser ist sicherlich
als zu niedrig anzusehen. Im
Tierexperiment ist erst bei
1Dfacher Dosierung (in Bezug auf
das Körpergewicht) eine Wirkung
auf den Blutdruck festzustellen.
Da die Wirkung am Menschen noch
nicht belegt ist, sollte die
Mistel nur zur Unterstützung
einer Hochdrucktherapie genommen
werden. Die Tagesdosis müßte
dann allerdings mindestens 20
Gramm getrocknetes oder 40 Gramm
frisches Mistelkraut betragen;
diese Menge wäre dann mit min-
destens einem halben Liter Was-
ser anzusetzen.
Als Alternative gibt es "Mi-
steltropfen" aus der Apotheke.
Die handelsübliche Misteltinktur
wird im Verhältnis 1 Teil Droge
zu 5 Teilen Alkohol hergestellt.
37
Die übliche Dosierung von S3mal schmuck in das Zimmer gehängt
täglich 30 Tropfen dürfte wie- werden, sollten erst nach dem
derum zu niedrig sein. Da Mi- ersten Frost geschnitten werden,
steltinktur ca. 70 \ol.-Prozent da die Beeren sonst zu leicht
Alkohol enthält, ist hier eine abfallen.
Steigerung der Dosierung auf das Über die derzeitige kultische
Zehnfache nicht unbedingt em- Verwendung der Mistel im Neuhei-
pfehlenswert. Besonders die ak- dentum ist nichts Festgelegtes
tive Teilnahme am Straßenverkehr bekannt, obwohl sich aus dem
ist nach solcher Alkoholaufnahme traditionellen Brauchtum genü-
nicht mehr möglich. gend Ansatzpunkte ergeven könn-
Mistelkraut kann natürlich ten. Dies gilt insbesondere für
auch selbst gesammelt werden. " die bevorstehende \Wintersonnen-
Mit anderen in Mitteleuropa wende. Die Redaktion wäre für
wachsenden Pflanzen zu ver- Gedanken und Anregungen dankbar
wechseln ist die Mistel nicht. und wünscht allen Lesern - mit
Die Mistel kann das ganze Jahr Mistel oder nicht - ein frohes
über geschnitten werden. Mistel- Julfest!
zuweige, die als Weihnachts-
Henri Schladitz
Geza von Nemenyi (erscheint Anfang 1988)
Heidnifche Naturreligion
Altüberlieferte Glaubensvorftellungen, Riten und Bräuce
Erste Gesamtdarstellung des Heidentums nach den Textquellen,
mit den überlieferten Ritualen. Aus dem Inhalt: Runen,Hexen,
Mythen, Tyrkreis, Jahresfeste, Lebensfeste, Kultmelodien u.a.
Johanna Bohmeier Verla
Breite Str. 65 3134 Bergen a.d. Dumme Ruf: 05845/244
38
Das Rad des Jahres
Ein Vorschlag zu einem Heidnischen Mondkalender
Das Fest ist vorbei. Die
letzten Gäste sind gerade zur
Tür hinaus. Wir hatten meine
Wohnung als Treffpunkt vor dem
Ritual gewählt und danach auch
hier gefeiert. Jetzt hängt noch
etwas von der Stimmung in den
Räumen, etwas Lachen wird von
den tapezierten Wänden zurückge-
worfen und das Licht der Kerzen
auf dem Hausaltar spiegelt sich
in den leeren Schüsseln, in
denen sich Äpfel, Trauben, Korn
und Gebäck, die reichen Gaben
von Mutter Erde getürmt hatten.
Nun ist es still geworden
in der Wohnung und draußen hat
Vater Himmel schwere Wolken
zusammengerufen, die ihn wie mit
einer dicken, stumpfschwarzen
Schicht bedecken. Bald wird Thor
dort oben donnern, Heimdall Re-
gen herabschicken und Odins Wil-
de Jagd durch die öden Straßen
heulen. Doch unser Fest war auch
eine Totenfeier. Der Sonnengott
Baldr ist eingegangen zur Hel,
zur Totengöttin, zur winter-
lichen Erde.
Meine Frau kommt mir vom
Altar entgegen. Wir drücken uns
aneinander. Es tut gut, jemanden
bei sich zu haben in den kommen-
den dunklen Zeiten - denn wir
werden Baldr folgen, das Jahr
wird sich verdunkeln, nach die-
ser Herbst-Tagundnachtgleiche
kommen Kälte und Schnee. Und für
viele Wesen da draußen kommen
Hunger und vielleicht sogar Tod.
Vielleicht ist das der
Grund, weswegen wir Trauer über
den Anbruch der Dunklen Jahres-
hälfte empfinden können, wir,
die wir uns doch jenen Wesen im
Herzen näher fühlen als denen,
die den Winter nur anhand erhöh-
ter Heizkosten und überfüllter
U-Bahnen bemerken.
Doch wie wir Trauer fühlen
können, so können wir auch die
Freude spüren, wenn die Tage
länger werden, wenn zur Weihe-
Nacht der Lichtgott dem Schoß
von Mutter Erde entspringt. Da-
für brauchen wir keinen Heiligen
aus einem fernen Land, wir beob-
achten das Wunder der Auferste-
hung jedes Jahr neu. Wir sehen,
wie Geburt, Wachstum, Alter,
Tod und neue Geburt einen un-
zerstörbaren Kreis bilden, in
dem eines notwendig aufs andere
folgen muß.
So könnte man eigentlich
das Julfest, die Weihe-Nacht,
die Wintersonnenwende als unser
wichtigstes Fest bezeichnen,
39
obwohl alle Feste wichtig sind.
Fehlt ein Teil, so zerbricht der
Ring. Doch zur Wintersonnenwende
berühren sich seine beiden En-
den, zu dieser Zeit werden
Geburt und Tod eins.
De. >
PikrL2)
BRCHE
Den darauffolgenden ersten
Monat des neuen Jahres nannte
man in älteren, der Natur nähe-
ren Zeiten - und einige tun das
heutzutage erneut - HARTUNG oder
HARTMONAT.Es ist dies oft die
Zeit äußerster Härte für Nensch,
Tier und Pflanze. Obwohl die
Tage länger werden, nimmt die
Wärme ab, denn die Erde hat sich
abgekühlt. Auch die Wintervor-
räte konnten in diesem Monat
langsan, aber gnadenlos zur
Neige gehen. Und draußen fiel
noch immer Schnee und Eis lag
über allen Wegen.
40
Der nächste, zweite Mond
des Jahres bringt oft noch
schlimmere Kälte, aber ebenso
oft die ersten, plötzlichen war-
men Tage. Sein Name allerdings
hat weniger etwas mit dem Jahr
und seinem Wetter zu tun als
vielmehr mit frühem Einfluß des
römischen Kalenders:
HORNUNG oder HORNUNC leitet
sich wahrscheinlich von "Horn"
("Ecke", "Spitze") ab und be-
zeichnet den Monat, der nach
römischer Anordnung in der Ver-
teilung der Tage zu kurz gekom-
men ist. Hier sehen wir bereits,
wie sich der abstrakte Begriff
des "Monats" als ein festgeleg-
tes Jahreszwölftel von seiner
natürlichen Grundlage, dem Mond
und seinen Phasen, entfernt hat.
In die Zeit des zweiten
Mondes fällt jenes Fest, das in
germanischer Tradition FASTNACHT
genannt wird. Der !\ame dieses
Fruchtbarkeitsfestes leitet sich
übrigens wahrscheinlich ener von
den Worten "fasen" (=fruchtbar
sein) und "fos" (=zeugen) und
weniger vom kirchlichen Begriff
"Fasten" oder von "Vastnacht"
(="Vorabend", der Fastenzeit
nämlich) ab. Bei den Schweden
hieß es früher ja auch "Dis-
ting", "Disablot" (=Disenopfer,
Geisteropfer) oder "Fröblot"
(nach dem Fruchtbarkeitsaott
Freyr). Heiden, die mehr kelti-
schen Vorstellungen folgen, nen-
nen es nach der Göttin des
inspirierenden Feuers BRICID.
Sie könnte man als weibliche
Entsprechung zum germanischen
Freyr sehen, dem jungen Gott des
aufblühenden Lebens und des le-
bensspendenden Herdfeuers.
So ist dies eine Zeit des
Wachstums, aber auch des Kamp-
fes. Es ist die Zeit, in der
sich die erstarkenden Kräfte des
Frühlings regen und die Last des
Winters abzuschütteln versuchen.
Es ist die Zeit, in der Freyrs
Bote Skirnir die schlafende Erd-
göttin aus der Zwingburg des
Winters zu befreien versucht, in
der Siegfried gegen den Drachen
Fafnir antritt, in der der Prinz
das Dornröschen wachküßt.
Es ist die Zeit, in der die
Mutter Erde den Jungen Gott aus
ihrem Schoß entläßt, und ebenso
dramatisch, wie dieser Vorgang
ist, kann in diesem Mond das
Schwanken zwischen grimmiger
Kälte und früher, zaghafter Wär-
me sein. Alles steht noch auf
der Kippe.
Der nächste Mond dagegen
prophezeit selbstbewußt den Sieg
von Licht und Leben, denn er
heißt LENZUNG oder LENZMONAT.
"Lenz" ist das alte Wort für
Frühjahr und kommt von "lang".
Und tatsächlich, länger werden
sie, die Tage! Dennoch muß der
Winter noch lange nicht geschla-
gen sein. Gelegentlich hält er
seine strenge Herrschaft noch
bis in den vierten Monat hinein,
den WANDELMOND. Dieser Name kann
die endgültige Wendung zum Hel-
len bedeuten, kann aber genauso-
gut... nun ja, wir alle kennen
das Aprilwetter!
41
Ebenso liegt die Frühlings-
Tagundnachtgleiche mal in dem
einen, mal in dem anderen lond.
Sie wird allgemein nach der
Frühlingsgöttin DSTARA genannt.
Die ersten Knospen kommen, viel-
leicht sogar die ersten Blätter.
Plötzlich, fast von einen Tag
auf den anderen, durchkreuzt das
aufgeregte Singen der Vögel die
Luft. Man kann den Frühling
geradezu riechen. Die Fesseln
des Winters werden zerrissen,
Siegfried befreit die Walküre,
das Mädchen Kore kehrt aus dem
Totenreich an die Erdoberfläche
zurück, Persephone gibt den
schönen Knaben Adonis frei und
er sinkt in die Arme von Aphro-
dite. Der Himmelsgott und die
Erdgöttin begegnen sich, er
tränkt sie mit seinem frucht-
baren Regen, der Gewitter- und
Regengott Thor erlangt seinen
Donnerhammer wieder, mit dem er
die Winterriesen verjagt.
Optimistisch gibt sich auch
der nachfolgende, fünfte fionat,
denn er heißt SONNWNOND. In sei-
nen Bereich fällt ja schließlich
das Fest HÜHE MAIEN (nach dem
altitalischen Wachstumsyott
Maius), das auch WALPURGIS (nach
einer Kirchenneiligen, deren
Name im christianisierten
Volkstum für zahlreiche segen-
bringende, weibliche Geister
verwendet wurde) oder JELTANE
genannt wird. Sein Tnema ist im
Grunde mit dem des worangeyan-
42
genen USTARA-Festes und dem der
nachfolgenden Sommersonnenwende
identisch die Vereinigung von
Göttin und Gott, ob sie nun als
Große Mutter und Gehörnter, als
Odin und Frigga, als Freyr und
Freya oder wie auch immer be-
zeichnet werden.
Doch im Gegensatz zu 0STAR
haben wir nun endeültig die
letzten Schatten des Winters
hinter uns gelassen, der Früh-
ling geht in den Sommer über,
die erste große Verwandlung ist
abgeschlossen. Die Gewitter-
wolken Thors werden vom klaren
Himmel Odin weggeschoben.
Zugleich ist aber in allen
Dingen das Wachstum immer noch
enthalten, es ist nicht wie am
Sommerfest, an dem sich in die
Freude bereits das Bewußtsein
vom baldigen Niedergang ein-
schleicht. Nein, an dieser Stel-
le ist die Heiterkeit ungetrübt
und das Fest ein reines Freuden-
fest.
Mit dem SONNMOND erhielt
der Sommer seinen strahlenden
Einzug in das Jahr, in den fol-
genden drei Monden BRACHET,
HEUERT und ERNTING erlebt er
seinen Höhenunkt und beginnt
zaghaft seinen Abstieg. Die
Namen verdeutlichen, da? für
unsere Vorfahren der Sommer
keine Zeit kühler Lonadrinks am
Swimming-Pool war, sondern cie
härteste Arbeit im Jahr badau-
tete. Eine Arbeit, von deren
—
AP DIE DAME VOM SEE mzzua |)
$5] ERZIEHLI ARTVS VON DEM %
N SCHWERT EXCALIBVR E24 b44
Erfolg alles, die ganze Existenz
abhing. Darum war der Segen der
Erdmutter, des Sonnen- und
Himmelsgottes, der Fruchtbar-
keitsgötter und Feldgeister so
unendlich wichtig.
Der sechste Jahresmonat
BRACHET (auch BRACHMOND, BRACH-
MONAT) hat seinen Namen von der
uralten Dreifelderwirtschaft.
Nach der Kernernte im Sommer
blieb ein Drittel der Felder
ungenutzt. Während die anderen
beiden Drittel im
Frühjahr gepflügt und im Sommer
geerntet wurden, opfliücte ınan
diesss Drittel erst im Sommer
kommenden
und baute dort herbhstfriüchte wie
z.B. Rüben an. Dieser ständige
Wechsel verhinderte jene einsei-
tige Ausnutzung des Bodens, der
uns aus den modernen Monokultu-
ren nur allzu bekannt ist.
"Pflügen" hieß damals "bra-
chen" (von "brechen", das Wort
"brachliegen" hat sich erst spä-
ter daraus entwickelt), und so
kam es zum "Brachmond".
Die Bedeutung von HEUERT
(auch HEUET, HEUMONAT) liegt auf
der Hand und zeigt uns, daß mit
ERNTING wonl die Ernte des
Korns, nicht die des Heus ae-
meint war. Und ebenso wohl die
des Hanfs, von dessen alten
Namen sich die Bezeichnung des
LEINERNTZ-Festes herleitet.
während LEINERNTE mit Si-
cherheit immer im Monat ERNTING
liegen wird, pendelt die Zeit
der Sommersonnenwende mal in den
HEUERT, mal in den gRÄCHET hi-
nein.
Das Fest an diesen Tag -
wir wollen es WITTSOMMER oder
(für diejenigen unter uns, die
es mit den Kelten halten) LITHA
nennen - kreist um die Pracht
und die Macht, die die Götter
entfalten. Das Licht feiert sei-
nen Triumph und wir feiern mit
ihm. Überall werden Freudenfeuer
angezündet, der _Sonnenkänig
umarmt die Sommerkünigin, in
Ägirs Halla treffen sich die
seligen Asen und !Wanen zum Fest-
manl.
43
Doch ist der Höhepunkt im-
mer bereits das Tor zum Abstieg:
Der Sommerkönig vergeht in der
gewaltigen, alle Grenzen spren-
genden Ekstase der Vereinigung
mit der Erdgöttin, den Sonnen-
gott Baldr plagen böse Träume,
und der arglistige Loki plant
bereits seinen finsteren An-
schlag. Das Rad dreht sich und
dreht sich, es vereinigt Geburt,
Wachstum, Alter, Tod und neue
Geburt und alle Dinge müssen
sich verändern. So wie uns der
ewige Kreislauf Hoffnung be-
schert, so müssen wir auch den
Tod als eine seiner Gaben anneh-
men. Wir werden an Odins Weis-
heit erinnert, der durch seinen
Tod an der Weltesche Yagdrasil
das Geheimnis ewigen Lebens (in
den Runen) erlangte.
Das Fest LEINERNTE (oder
HAGELFEST oder LUGNASAD) führt
das Jahr und die Mythen des
Sommerfestes weiter. Der Sommer-
könig stirbt, Loki verspottet
die Götter bei Ägirs Gastmahl.
Zuleich spielt er mit seinen
Schmähworten hintergründig auf
die Vereinigung von Göttin und
Gott an. Noch steht der
Todesaspekt nicht im Vorder-
grund, die Fruchtbarkeit des
Jahres ist genauso wichtig, der
Herbst, die Zeit der zweiten
großen Verwandlung des Jahres,
bricht erst an. Und mit dem
Herbst wird Thor, der Gewitter-
gott, dem die Hagall(Hagel)rune
44
geweiht ist, erneut kommen. Er
wird verehrt und man bittet ihn,
mit seinen Unwettern die Felder
nicht zu verwüsten, und man
verehrt seine Gemahlin Sif, de-
ren goldenes Haar das nährende
Getreide ist. Zugleich aber wird
die gütige Mutter allen Lebens
allmählich zur grausamen Schnit-
terin, die altes Leben nimmt, um
neues zu nmähren. Saturn, der
Gott der Saaten hält auch die
Sichel und gilt als Herr des
Schicksals, welches dem Menschen
zuletzt den Tod verheißt. Hades
hat als Erdgott den Beinamen
"Pluton" (="der Reiche"), aber
sein Reich ist zugleich das
Totenreich.
Disser Aspekt der Unterwelt
wird noch stärker im nächsten
Fest, dem HERBSTFEST oder MABON.
Es ist Tagundnachtgleiche im
Herbst, und gleich stark sind
nun auch die Kräfte von Leben
und Tod. Wir danken den Kräften
des Lebens für das Leben, wel-
ches wir haben, und die Nahrung,
die wir brauchen, um es zu er-
halten. Darum heißt das Fest
mitunter ERNTEDANK. Zugleich
sehen wir mit Trauer, wie Baldr
von Lokis Pfeil tödlich getrof-
fen wird, wie die grünen Laub-
blätter der Göttin Idun zur Erde
sinken, wo sie zu Humus werden,
wie der schreckliche Hades das
Mädchen Kore in sein Reich ent-
führt, was die Erdmutter Demeter
zu ihrer halbjährlichen Un-
fruchtbarkeit veran-
laßt. Wir bereiten
uns auf die einbre-
chende Dunkelheit
vor.
Und länger wer-
den sie nun gewiß,
die Nächte, egal ob
die Tagundnachtglei-
che im Monat SCHEI-
DING oder im Monat
GILBHART liegt oder -
wie im vergangenen
Jahr 1987 u.Z2. - ge-
nau auf dem Schwarz-
mond zwischen beiden.
Die Wortbedeutungen dieser zwei
Monate (des meunten und des
zehnten im Jahr) sind offen-
sichtlich: das Abschiednehmen
vom Sommer und die einsetzende
Gelbfärbung der Blätter.
Genauso deutlich zeigt sich
die Bedeutung des Mondes NEBE-
LUNG jedem, der zu dieser Zeit
sein warmes Heim verläßt und in
die satten, dichten Schwaden
eintaucht. Nasses Laub liegt auf
den Straßen und jeder Laut
klingt gedämpft. Es ist die Zeit
des Totenfestes, welches heißt
WINTERNACHT, SAMHAIN oder HALLO-
WEEN (von der Totengöttin Hel;
die Bedeutung "all hallow even"
= "Aller Heiligen Abend" brachte
erst die Kirche auf).
Odin tritt nun als Toten-
gott auf, der seine Wilde Jagd
(die Herbststürme) anführt, und
an der Spitze der Götter zum
Ragnarök reitet, zur SBötter-
dämmerung der !intersonnenwende,
bei der alles untergehen und
wieder neu entstehen wird. Kore
wird zur Unterweltskönigin Per-
sephone. Ishtar steigt in die
Unterwelt, um ihren Geliebten
Tammız zu suchen. Der Jahres-
könig ist eingegangen ins Land
des Todes, von wo aus er wieder
aufsteigen wird, wiedergeboren
aus dem Schoß der Großen Göttin.
Odin fällt vom Weltenbaum in die
Tiefe.
Die Nächte werden länger
und kälter. Frau Holle schüttet
ihre Wolkenkissen aus, die blei-
che Hel regiert, die Erde deckt
sich mit einem weißen Leichen-
tuch zu. Die lebensfeindlichen
Mächte, die Eis- und Frostriesen
triumohieren.
Doch schon reiten Götter
und Einherier (die Geister der
45
Gefallenen) aus. Zur Winterson-
nenwende (MITTWINTER oder
JULFEST) kommt es zur Schlacht.
Das Winteruntier, der Fenris-
wolf, verschlingt Odin, Widar
erschlägt den Fenriswolf, Thor
tötet die Midgardschlange und
stirbt selbst, Tod überall, kein
Gott und kein Riese überlebt
diese Schlacht. Doch, wie die
weise Seherin, die Hexe, die
Weise Frau, die Vertreterin der
Erdmutter es schon vorher ver-
kündete: "Da seh ich auftauchen
zum andernmale aus dem Wasser
die Erde und wieder grünen."
Die Götter kehren wieder,
unter ihnen auch der ermordete
Lichtgott Baldr. Isis gebiert
Horus, Kybele den Attis, die
Große Göttin den lebensbringen-
den Jungen Gott. Die Zeit tief-
ster Finsternis ist zugleich die
Große Wendezeit. Ein neues Jahr
wird geboren.
Wieder dreht sich das Rad.
Bei den Kelten waren die Wörter
für "Jahr" und "Rad" identisch
und das Wort "Jul" könnte eben-
falls mit einem alten, germani-
schen Wort für "Rad" (englisch
"uheel") zusammenhängen, obwohl
das noch nicht gesichert ist.
Gleichviel, wegen des Julfestes
trägt der letzte Mond den Namen
JULMOND (auch WINTERMONAT,
SCHLACHTMONAT, WOLFMONAT).
Klingt das nicht ganz anders als
"Dezember"? - Zumal sich die
lateinischen Namen "September"
46
(="der Siebente"), "Oktober"
(="der Achte"), "November"
(="der Neunte") und "Dezember"
(="der Zehnte") nicht einmal auf
unseren Jahreskreis beziehen,
sondern nur den altrömischen
Kalender widerspiegeln, der mit
dem März anfing!
Die Plazierung heidnisch-
römischer Götter wie Janus ("Ja-
nuar"), Mars ("März"), Maius
("Mai"), Juno ("Juni") oder
Kultbräuche (Februar = Reini-
gungsmonat) mag gelegentlich
unverständlich, bei Janus und
Maius sogar einleuchtend, in
jedem Fall zumindest erträglich
sein, aber was haben römische
Cäsaren wie Julius ("Juli") oder
Augustus "August"') bei uns ver-
loren? Weil der Atheist Bonifa-
tius eine Eiche umgelegt hat,
brauchen wir doch nicht diesen
Unsinn mit uns herumzuschleppen!
Aber wenn wir die Fehler
der anderen kritisieren, dürfen
wir unsere eigenen nicht ver-
schweigen: Das Julfest liegt
nämlich gar nicht im Julmonat!
Zumindest nicht bei der von mir
in diesem Artikel verwendeten
Rechnung. Das Jahr wird geboren
zu dem Zeitpunkt, an dem es
stirbt: bei der Wintersonnen-
wende. Der Tag wird geboren in
dem Augenblick, in dem es
stirbt: zur Mitternacht. Was ist
da einleuchtender, als die Le-
benszeit eines londes als die
Zeit von seiner Geburt bis 'zu
seinem Tod anzusehen: von
Schwarzmond zu Schwarzmond?
Zumal uns die Mondin das ja
jeden Monat am Himmel neu vor-
führt?!
Nun gibt es aber ein Pro-
blem: Da sich unsere Monate am
echten, wirklichen Mondlauf
orientieren, sind sie kürzer (29
oder 30 Tage) als die künstli-
chen Jahreszwölftel. Und damit
passen sie nun nicht mehr so
sauber und handlich in den - an
dem Umlauf der Erde um die Sonne
ausgerichteten - Jahreskreis!
Sonne und Mond sind halt ver-
schiedene Prinzipien!
Ein Beispiel: In diesen
Jahr 1988 u.Z. beginnt der
Hartung durch seinen Schwarzmond
bereits am 20.12.1987 u.Z. (also
liegt genaugenommen das Julfest
diesmal auf einen Tag im
Hartung, nämlich am 21./22.12.)
und endet am 19.1.8868 u.Z. Da nun
alle weiteren elf Monde 29 bzw.
30 Tage dauern, endet der letz-
te, der Julmond, schon am
9.12.88. Das Jahr endet aber
erst am 21./22.12.83. Zwölf Tage
bleiben übrig, gehören zu keinem
Monat. Würde man sie bereits dem
nächsten Hartung zurechnen, wür-
de sich das ganze Mondjahr na-
türlich ebenfalls weiter nach
vorn verlagern und der Julmond
'89 u.Z. endet dann irgendwo im
November. Nach einigen Jahren
liegt er dann wahrscheinlich im
Sommer. Wohl kaum der Sinn der
Übung! Was tun wir aber mit den
überzähligen, (in diesem Bei-
spiel) zwölf Tagen?
Die Lösung liegt in der
Einführung eines dreizehnten
Monats, eines "Zwischenmonats",
den auch nicht jedes Jahr hat.
Die alten Germanen sollen schon
auf diese Lösung gekommen sein.
Lassen wir also am 9.12.88 einen
Zwischenmond beginnen, so wäre
er am 7.1.88 zu Ende. Der
Hartung hätte sich wieder nach
hinten verschoben und mit ihm
die folgenden elf Monde: Der
Julmond 1989 u.Z. müßte so unge-
fähr um den 26.12.89 enden, also
erst Tage nach dem Julfest.
Das Prinzip ist also im
Grunde ziemlich einfach: da
zwölf Monde zusammen nur etwas
über 350 Tage (19937: 354 Tage,
19898: 353 Tage) ergeben, der
Jahreslauf der Sonne aber 365
Tage braucht, rutschen die zwölf
47
Mondmonate immer weiter im Son-
nenkreis vor, bis die Winterson-
nenwende einmal droht, in die
zweite Hälfte (=nach Vollmond)
des neuen Hartung zu fallen, der
ja eigentlich schon zum nächsten
Jahr gehört. Dann wird der Un-
terschied zwischen den zwölf
Mondkreisen und dem einen,
großen Sonnenkreis schon so
weit, daß man ihn nicht mehr
tolerieren kann und ein drei-
zehnter Monat eingefügt wird, um
das ganze wieder auszugleichen.
Jetzt liegt das Julfest wieder
brav im Julmond, wo es eigent-
lich hingehört. Also liegt es
doch im Julmonat! Oder nicht?
Oder doch?
Aber laßt euch nicht ver-
wirren! Zum einen klingt das
Einige Anmerkungen:
alles komplizierter, als es in
Wahrheit ist, zum anderen ist
dieser Kalender zwar immer noch
zu kompliziert, um ihn für Ge-
schäftsbriefe oder Reisetermine
zu verwenden, aber er ist schö-
ner als der sonst übliche und
mehr an der Natur orientiert.
Eine Datumsangabe zu einem
Kultfest, die heißt "Am dritten
Tag nach dem aufsteigenden Halb-
mond im Gilbhart" ("PD + 3 GILB"
als Abkürzungsvorschlag) ist
einfach etwas anderes als ein
anonymes "22.9.". Es drückt eine
andere Aufmerksamkeit gegenüber
den Geschehnissen auf unserer
Erde aus. Und darum geht's uns
doch, oder?
Michael Frantz
1. Unter dem Begriff "Schwarzmond" versteht man jenen Zeitpunkt im
Monat, am dem der Mond verschwindet. Landläufig wird dieser eher
"Neumond" genannt, was aber falsch ist, da der Mond ja ein oder zwei
Nächte verdunkelt bleibt und dann erst "neu" wieder auftaucht.
2. Erwähnt werden muß außerdem,
daß sich zur Zeit wohl kaum eine
heidnische Gruppe nach diesem Mondkalender richtet. Einige haben die
lateinischen Monatsnamen gegen die ursprünglichen ausgetauscht , was
aus obengenannten Gründen schon nicht schlecht ist, das herkömmliche
Monatssystem aber auf ihren Festkalendern unangetastet gelassen, den
zweiten Schritt also nicht vollzogen. Manche meinen auch, daß die
Germanen ihre Monate von Vollmond zu Vollmond gerechnet hätten. Das
mag stimmen oder nicht - einleuchtend ist es nur insofern, daß der
Vollmond leichter zu bestimmen ist als der Schwarzmond. Sefühlsmäßig
überzeugt es nicht. Unsere menschliche Daseinsform beginnt ja auch
mit einem "Aufstreben" und endet mit einen "Niedergehen".
48
3, Der "Zwischenmonat" könnte einem Wicca-Terminus folgend "Zwischen
den Welten" genannt werden, denn zur Wintersonnenwende werden Geburt
und Tod eins und die Grenzen lösen sich auf. "Zwischen den Jahren"
wäre ebenfalls möglich oder "Weihenächte", wie bei den Germanen die
zwölf Nächte nach Mittwinter hießen. Vielleicht habt ihr bessere
Ideen, dann schickt sie uns doch!
Mr
77217772
VERESYZ S
IMPRESSUM
Redaktion: V.i.5.d.P.:
Matthias Wenger Michael Frantz
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Die Redaktion dankt Henri Schladitz (für Beratung, Artikel und Spen-
de), Bernhard Schulz (für Artikel und Spende), Harry Slibar (für den
Computer), Arivey (für den Artikel), Hanna Müller (für die Hilfe bein
Tippen und Kritik) und Baduila (für das Titelbild, welches allen
gotischen Frauen gewidmet ist).
49
Daten des Heidnischen
V = Vollmond
H = Halbmond
5 = Schwarzmond
Hartung:
S 20.12.87
JULFEST 21./22.12.87
H 2012487
V 4.1.88
H 12.1.88
Wandelmond:
S 18.3.88
OSTARA 20.3.88
H 25.3.88
V 2.4.88
H 9.4.88
Heuert:
S 14.56.88
MITTSOMMER 21.56.88
H 22.56.88
V 29.56.88
H 6.7.88
Gilbhart:
5. 11.9.88
H 19.9.88
HERBSTFEST 22.9.88
V 25.9.88
H 2.10.88
Zwischenmonat:
5 9.12.88
H 16.12.88
JULFEST 21./22.12.88 ”
V 23.12.88
H 31.12.88
5° 7.1.89
50
Mondkalenders 1988 u.Z.:
Hornung:
5 19.1.88
H 25.1.88
V 2.2.88
FASNACHT um 5.2.88
H 11.2.88
Sonnmond:
S 16.4.88
H 24.4.88
V 2.5.88
HOHE MAIEN um 6.5.88
H 9.5.88
Ernting:
5 13.7.88
H 22.7.88
\V 29.7.88
H 4.8.88
LEINERNTE um 7.8.88
Nebelung:
5 10.10.88
H 18.10.88
V 25.10.88
H 1.11.88
WINTERNACHT um 6.11.88
Lenzung:
S 17.2.88
H 24.2.88
V. 33:88
H 11.3.88
Brachet:
5416588
H 23.5.88
V 31.5.88
H 7.6.88
Scheiding:
5 12.8.88
H 20.8.88
V 27.8.88
H 3.9.88
Julmond:
5 9.11.88
H. 16.1188
V 23.11.88
H., 11288
Die Eibe
Aus Bäumen schufen die Götter
einst die ersten Menschen, als
sie am Ufer des Meeres wandel-
ten. Im Inneren eines Baums
bergen sich auch die letzten
Menschen, Lif und Lifthrasir,
wenn die Götterdämmerung das
Ende aller Ding mit sich
bringt. Wir können das Wesen der
Bäume richtig verstehen lernen,
wenn wir bedenken, daß wir
selbst einmal unsere Wurzeln
tief in den Schoß der Erde hin-
absenkten und unsere Arme ver-
langend wie die Krone eines
Baumes in die Weite des Himmels
streckten.
Dunkel und geheimnisvoll
erscheint uns die Eibe, wenn wir
die dichten, dunkelgrünen Nadeln
und die starken, knorrigen Äste
betrachten, die wie gegossenes,
patiniertes Kupfer wirken. Und
bei den meisten Eiben in unseren
Parks und Wäldern scheinen ihre
Äste direkt, wie aus einem Mit-
telpunkt in der Erde auszustrah-
len, ohne daß ihr Stamm über-
haupt sichtbar wird. Auch dann,
wenn Eis, Frost und tiefer
Schnee das Antlitz der Nutter
Erde verhüllen, behält sie die
Pracht ihrer Nadeln - Sinnbild
der Unzerstörbarkeit des Lebens
auch in eisiger Winternacht.
Deshalb, weil die Eibe wie
jeder immergrüner Baum im tief-
sten Winter Hoffnungen auf den
kommenden Frühling spendet, sag-
te wohl auch Hildegard v.Bingen
über ihn: "Der Ybenbaum ist ein
Sinnbild der Fröhlichkeit." Die
Beziehung zum Unzerstörbaren,
Ewigen spiegelt sich auch in
ihrer Lebenszeit wider, Eiben
können immerhin bis zu 2000
Jahre alt werden. Eine Eibe bei
Fortingall in Schottland, die
schon an die dreitausend Jahre
alt sein soll, gilt immerhin als
ältester Baum Europas.
Sicher ist die Eibe damit
auch ein Baum gewesen, der uns
mit der Tiefe des mütterlichen
Erdenschoßes verbindet, in dem
in der Wintersonnwendnacht das
neue Licht als Ursprung des
neuen Lebens und der ganzen kom-
menden Frühjahrsvegetation er-
wacht. Im alten Weihnachts-
brauchtum spielt die Eibe des-
halb auch eine wichtige Rolle,
ihre Zweige und Nadeln lassen
sich als Räucherwerk in den
51
heiligen zwölf Nächten gut ver-
wenden. Die Beziehung zum müt-
terlichen Urgrund bringt auch
das Abecedarium Nordmannicum zum
Ausdruck, wenn es über die die
Eibe symbolisierende Rune YR
Folgendes sagt: "YR enthält
alles." Im älteren gemeingerma-
nischen Futhork heißt diese Rune
IHWAZ und sieht so aus:
Das Holz der Eibe ist
gleichzeitig zäh, hart und recht
elastisch. Es eignet sich gut
zur Herstellung von Bögen, Pfei-
len und Armbrüsten, wird aber
auch in der Möbelherstellung
verwendet. Was ganz besonders
traurig ist, weil die Eibe über-
durchschnittlich lange Zeiten
des Wachstums und der Entwick-
lung benötigt und sich die
Eibenwälder deshalb nicht so
schnell regenerieren konnten,
wie bei anderen Baumarten. Dies
hat dazu geführt, daß die Eibe
in Westeuropa schon fast gänz-
lich ausgerottet wurde.
Die beiden gegensätzlichen
Eigenarten des Eibenholzes, Här-
te und Elastizität, deuten in
besonderer Weise auf eine dunkle
weibliche Gottheit. Es ist die
Mutter Erde, die zugleich be-
täubt und tötet, also ihr ver-
schlingender Aspekt und zugleich
das Leben neu hervorbringt -
erleben wir sie nicht auf diese
Weise zur Wintersonnenwende?
Dieses doppelte Antlitz der Göt-
tin spiegelt sich auch im Er-
scheinungsbild der Eibenfrüchte
wider, die in ihrem verlocken-
den, leuchtenden Rot in einem
seltsamen Kontrast zum dunklen
Grün des Nadelkleides ste-
hen. Diese Verlockung kann
verhängnisvoll werden, wenn
man sich verleiten läßt.
Denn die Beeren der Eibe
enthalten wie auch alle
ihre anderen Teile das gif-
tige Taxin, das für Men-
schen wie auch für Pferde,
Kühe, Hunde oder Katzen
tödlich sein kann. Schon
die Ausdünstungen des Baums sol-
len Benommenheit und Lähmung
bewirken, wenn man sich längere
Zeit unter seinen Zweigen auf-
hält. Aus diesem Grunde gilt die
Eibe auch als Totenbaum und
wurde auf den Britischen Inseln
oft auf Friedhöfen angepflanzt.
Dem verschlingenden, zer-
störenden Aspekt der Mutter
steht in diesem Baum natürlich
auch der schützende, behütende
gegenüber: So läßt sich mit
Eibenzweigen böser Zauber ban-
nen: kreuzweise vor dem Hausein-
gang übereinandergelegt kann man
damit unsauberen Geistern den
Zutritt verwehren. So wird das
Fibengrün im Weihnachtsbrauchtum
zu einer abwehrenden Kraft gegen
die dämonische Finsternis, die
zu dieser Zeit fast gänzlich das
Licht der Sonne absorbiert. Im
Spessart ist uns noch der Spruch
überliefert: "Vor den Eiben kann
kein Zauber bleiben."
Die medizinische Anwendung
der Eibe ist vielfältig: Taxin
wurde lange Zeit als Herzmittel
verwendet, auch für Abtreibungen
hat man Eibenzubereitungen
benutzt. In homöopatischen Zube-
reitungen aus Eibennadeln werden
"Nedikamente gegen Gischt, Rheuma
und Leberkrankheiten gewonnen.
Im Frühjahr 1986 wurden For-
schungsergebnisse franzssischer
Wissenschaftler bekannt, die aus
Eibenrinde ein Mittel zur Zer-
störung von Krebszellen ent-
wickelt haben.
Auch über die astrologische
Einordnung der Eibe soll etwas
gesagt werden. Das sehr langsame
Wachstum und dementsprechende
Alter, die Härte und Festigkeit
des Holzes und die Bewahrung der
Lebenskräfte auch unter här-
testen äußeren Bedingungen: All
dies läßt uns den Einfluß
Saturns und seines Zeichens
Steinbock erkennen, was man ein-
mal astromedizinisch und astral-
magisch weiter erforschen müßte.
Wie wir den Geheimnissen
des Baums noch weiter auf die
Spur kommen könnten? Vielleicht
dadurch, daß wir uns in den
stillen Winternächten zum Stamm
einer Eibe begeben, und sie mit
dem Namen ihrer Rune leise an-
raunens "IHWAZ - YR" Und wenn
wir nur intensiv oenug in die
Stille hineinlauschen, wird uns
gewiß eine Antwort zuteil!
Matthias Wenger
Formen der Rune: 4: si
Der Berserker
Eine Fantasy-Geschichte in Fortsetzungen. Von Michael Frantz.
Teil 1.
"Holla! Fremder, was tust
du da?"
"Ich sitze und lausche dem
Wind, den Vögeln, dem Wachsen
der Bäume!"
"Nackt?!"
"Nackt."
Ohne Furcht blickte der
bärtige Mann dem Reiter entge-
gen, welcher sein Pferd den
grasbewachsenen Hang hinauf-
trieb.Hoch zu Roß überragte die-
ser um fast zwei lange Schritte
den reglos Dasitzenden, dessen
sehniger, braungebrannter Körper
mit dem Wurzelwerk der Esche
hinter ihm verwachsen zu sein
schien. Neben seinen Schenkeln
lagen seine zusammengefalteten
Kleider, sowie in griffbereiter
Nähe ein Kampfmesser und ein
langer, schwerer Speer. Pfeile
und Bogen dahinter zeigten, daß
sich der Krieger auf seinen
Wanderungen allein ernähren
konnte,doch der runde, unbemalte
Schild verriet nichts von seiner
Herkunft. Akzent und die Sitte,
die langen, blonden Haare im
Nacken zu einem Zopf zusammen-
zuflechten, kennzeichneten ihn
als aus der Südlichen Wildnis
stammend, doch Söldner aus jener
Gegend gab es viele.
54
BR
AN
Der Reiter hatte aber noch
keinen von ihnen nackt am Wald-
rand sitzen und selig grinsen
gesehen!
"Ver bist du und wo kommst
du her?" fragte er darum. "Bist
du ein Mensch oder ein Wald-
geist?"
Der Fremde zeigte kräftige
Zähne, als er lachend zur Ant-
wort gab: "Nein, ein Waldgeist
bin ich nicht. Doch sagt Ihr mir
zunächst, wer Ihr seid, woher
Ihr kommt und wohin Ihr wollt,
denn i-c-h saß als erster hier!"
Das hochaufragende Pferd vor ihm
schien ihm keine Angst einzuja-
gen.
Verunsichert sprach der
Reiter: "Mein Name ist Rolf und
ich reite dem Zug der Prinzessin
Irmgard von Welten voraus."
"Da habt Ihr aber den fal-
schen Weg genommen. Diese Straße
führt nach Koronar, nicht nach
Welten. Ihr hättet Euch vor dem
Breiten See links halten sol-
len!"
"Taten wir auch! Aber der
Rote Fluß war durch die starke
Schneeschmelze über seine Ufer
getreten, wir fanden weder eine
brauchbare Brücke noch eine Furt
und so mußten wir den ganzen Weg
zurückfahren, um diesen zu neh-
men."
"Bedauerlich für Euch, gut
für mich," bemerkte der Krieger
knapp, stand auf und begann,sich
anzukleiden. Der Reiter schaute
ihm eine Weile zu, bevor ihn die
Geduld verließ. "Schön und gut,
aber, bei Mithra! sag mir end-
lich deinen Namen!"
Der Mann schaute kurz auf
und fuhr dann ungerührt fort,
mit den Tücken seiner Stiefel-
bänder zu kämpfen. "Nennt mich
Wulfgar. Ich bin Söldner und im
Moment froh über die Aussicht,
in Eurem Geleit sicher nach
Welten reisen zu können. Viel-
leicht gibt es dort Arbeit für
mich, vielleicht..." er blickte
dem Soldaten ins Gesicht,
"vielleicht braucht ihr bei
eurem Haufen eine gute Hand
mehr..."
"Das wird sich zeigen,"
brummte der Reiter.
Gemeinsam zogen sie los.
Nach ungefähr einer halben
Stunde zumeist schweigenden Mar-
sches erblickten sie vor sich,
wo die Straße eine breite, mit
niedrigen Birken bewachsene
Mulde durchquerte, den Wagen der
Prinzessin von Welten mit ihrem
Geleitschutz. Jener bestand aus
ungefähr einem dutzend schwerbe-
waffneter Reiter, allesant wie
auch Rolf mit Helm und schenkel-
langem Kettenhemd angetan. Darü-
ber trugen sie geschlitzte Tuni-
ken im leuchtenden Blau-Weiß des
Hauses Welten.
Rolf grüßte den vordersten
der Reiter, einen mächtigen Hü-
nen mit rasierten Wangen: "Heil
sei Euch, Thorich von Keltog!"
"Heil. Wer ist der da?"
"Ein wandernder Söldner.
Ich griff ihn am Wegrand auf.
Saß nackt da und lachte in die
Welt hinein! Ich glaube, er
heißt Wulfgang oder so ähnlich."
"Wulfgar," verbesserte die-
ser. "Zu Euren Diensten, Herr.
Ich suche Arbeit und Brot."
"Wir nehmen keine daherge-
laufenen Wegelagerer," erklärte
der Ritter vom Pferd herab.
"Zieh deines Weges, Kerl oder
ich lasse dir die Ühren ab-
schneiden!"
"ie Ihr wollt, Herr." Die
Miene des Fremden wirkte kaum
ärgerlich, eher sogar ein wenig
55
belustigt. Er hob seinen Speer
ein wenig an und im nächsten
Augenblick umgab ihn ein schüt-
zender Ring aus Holz und Metall.
Der Speer, den er wie einen
Stock mit beiden Händen führte,
bewegte sich schneller, als daß
ihn das Auge erfassen konnte,
beschrieb Kreise, Achten, über-
raschende Bögen, die in zucken-
den Stichen endeten, verwandelte
sich sogleich wieder in ein Netz
von Abwehren und Konterschlägen.
Rolfs Pferd wich scheuend bei-
seite, so daß der Reiter für
einen Moment das Gleichgewicht
verlor und sich gerade noch im
Sattel halten konnte.
Mit einem weiten Vorstoß in
Richtung Thorich beendete
Wulfgar seine Vorführung. "Na,
wenn das nicht gut war!" meinte
er mit breitem Lächeln. "Also,
ich will mich ja nicht selber
loben, aber sogar der Statthal-
ter von Dur hat gesagt..."
Er hielt inne. Entschloßene
Gesichter blickten auf ihn he-
rab. Der gesamte Trupp war an
Torichs Seite geeilt, der jetzt
finster sprach: "Verschwinde
endlich, du! Wir..."
"as ist denn hier los?"
Die Pferde von Thorichs Beglei-
tern tänzelten beiseite, gaben
den Weg frei für eine schöne
Frau in mittlerem Alter, deren
wertvolle und saubere Kleidung
keinen Zweifel an ihrem Stand
offen ließ. Ihr folgten zwei
Kammerfrauen in ebenfalls guten,
aber nicht so aufwendigen Klei-
dern. "Thorich! Die Darbietung
dieses Recken war gut. Also ver-
stehe ich nicht, warum Ihr den
Mann nicht in Eure Dienste
nehmt?!"
"Herrin," erwiderte dieser
stirnrunzelnd, "vom Kriegswesen
verstehe ich mehr als Ihr. Ich
stelle keine Unbekannten ein!"
"yenn Ihr ihn schon nicht
wollt, dann nehme ich ihn! Komm
mit, Krieger, du kannst mir
gewi3 von allerlei interessanten
Dingen erzählen." Ohne eine Ant-
wort abzuwarten, machte sie
kehrt und lief zum Wagen zurück.
Von ihren Zofen begleitet, folg-
te Wulfgar nach, Thorichs grim-
migen Blick im Rücken.
Als sie den geräumigen
Planwagen der Prinzessin er-
reichten, wandte die sich an
Wulfgar und erklärte: "Du mußt
Thorich verzeihen. Er ist ent-
setzlich mißtrauisch. Er hat ja
auch recht! Gerade vor unserer
Abreise... Danke!" Ein junger
Kerl, der kein Rüstzeug trug,
dessen Kleider aber auch zu
schäbig und abgetragen waren,
als daß er zur Dienerschaft der
Prinzessin gehören konnte, half
ihr in den Wagen. "...gerade vor
unserer Abreise aus Stade ereig-
neten sich schreckliche Dinge."
Irmgard von Welten nahm auf
einem samtbezogenen Schemel am
Ende des niedrigen, gemütlich
eingerichteten Wagens Platz.
Wulfgar setzte sich vor sie auf
die Felle, welche den Planken-
boden bedeckten. "Davon hatte
ich noch nichts gehört, als ich
Stade verließ."
"Es wurde auch erst kurz
vor unserer Abreise bekannt. Ein
Räuberhaufen hatte ganz in der
Nähe den Hof eines reichen
Gutsbesitzers überfallen. Sie
sollen so gräßlich gehaust ha-
ben, daß mir ihre Schandtaten
nicht über die Lippen wollen!"
Die beiden Kammerfrauen und
der Jüngling waren ebenfalls in
den Wagen geklettert und hatten
auf den Bänken an den Tuchwänden
Platz genommen. Zu fünft wurde
es doch ein wenig eng. Hinter
Irmgard konnte man den Kutscher
auf den Bock steigen hören und
Thorichs laute Stimme, die die
Weiterfahrt befahl. Mit einem
plötzlichen, harten Ruck setzte
sich der Wagen in Bewegung.
"An Eurer Stelle," bemerkte
Wulfgar, "würde ich mir südlich
des Breiten Sees weniger Gedan-
ken über Räuber als über herum-
streifende Nededen-Horden ma-
chen."
"Aber nicht doch!" wider-
sprach ihm der junge Mann, des-
sen wohlklingende, die Worte
sauber formende Stimme in merk-
würdigem Gegensatz zu seinem
heruntergekommenen Äußeren
stand. "Ich denke, die Nededen
leben viel weiter südlich."
"Nicht mehr.
Letzten Herbst
kam es erneut
zu Streitigkei-:
ten, Odin mag
wissen, worüber
nun schon wie-
der. Jedenfalls
hatte der koro-
narische Statt-
halter Durs die
Faxen endgültig &
satt,holte sich
aus Koronar
eine Eliteko-
horte - die kam
auch in Eilmär-
schen herauf-
marschiert! -
sammelte Söld-
ner, wo er sie
nur finden konn-
te, und stellte
trotz des vor-
gerückten Jah-
res, trotz der
ersten hHagel-
stürme eine Ar-
mee auf! Er \ R E
lockte die Nededen auf
unbewaldetes Gelände und, bei
Thor! sie bekamen Prügel wie
noch nie! Damit nicht genug,
ließ der Statthalter aus Rittern
der Umgebung und Waldläufern
Kommandos bilden, die die zer-
sprengten Nededen bis tief in
die Wälder hinein verfolgten.
Dur wird wohl für die nächsten
zehn Jahre Ruhe haben."
Die Prinzessin hatte ihm
gespannt zugehört. "Das klingt
ja so, als ob du selbst dabeige-
wesen wärst."
"War ich auch. Ich gehörte
zu diesen Waldläufern und bei
der Schlacht kämpfte ich ganz
vorne."
"Ihr scheint ein Held zu
sein." Wulfgar blickte den Jüng-
ling mißtrauisch an, doch er
konnte keinen Spott in dessen
Gesicht entdecken. Offen erwi-
derten die grünen Augen seinen
Blick.
"Nein, ich bin kein Held."
Der Krieger sprach jetzt leiser
als zuvor. Es war, als ob die
Maske des tollen Draufgängers
abgefallen wäre und ein alter
Mann darunter zum Vorschein
käme. Er schien etwas sagen zu
wollen, schloß seinen Mund wie-
der, schwieg. Nach einer Weile
sprach er nur: "Ich habe über-
lebt."
Das Schweigen schien den
engen Wagen noch enger, schien
ihn erdrückend eng zu machen.
Wulfgar blickte zu Boden. Irm-
gard sah ihn so lange an, bis er
den Kopf hob und sie einander
ins Gesicht schauten.
"Vielleicht," meinte sie,
ist Überleben Heldentum."
Plötzlich, ohne äußeren Anlaß
besiegte ihre natürliche Leben-
digkeit die drückende Stimmung
und sie rief: "Aber selbst, wenn
du kein Held bist, wird Gunnar
n
58
bestimmt einen aus dir machen!
Das ist sein Handwerk und er
versteht es derartig gut, daß
man meint, er hätte vom Skal-
denmet Odins getrunken!"
Der Jüngling bekam rote
Ohren. "Ihr übertreibt, Hoheit.
Aber ich würde wirklich zu gern
mehr von Euren Taten erfahren,
Meister Wulfgar. Bestimmt läßt
sich aus ihnen ein Lied, viel-
leicht sogar ein Epos formen."
"Auch ich bin ganz ge-
spannt. Schließlich bist du mir
das schuldig." Die Prinzessin
schaute Wulfgar mit großen, er-
wartungsvollen Augen an, die
geradezu ins Unendliche wachsen
zu schienen, und dieser spürte
einen Schmerz und eine angenehme
Hilflosigkeit zugleich. Ihre
Worte vorhin waren kühl auf
seinen Wunden gewesen und er
hatte selten solche Frauen ge-
troffen, in denen sich Reife und
Würde der erwachsenen Frau,
vielleicht mehrfachen Mutter mit
einem guten Stück kindlich-
freier Unbefangenheit vereinten.
Der junge Barde, die artig
schweigenden Hofdamen versanken
ins Nichts, nur sie blieb, lau-
schend, aufmerksam, prüfend,
doch wohlwollend, eine warme
Kraft ausstrahlend, von der
Wulfgar wußte, wie mächtig sie
sein konnte. Er hoffte nur, daß
sie etwas ähnliches spürte.
Dennoch war er auf der Hut.
Die Menschen hier verstanden die
Ursprünge nicht mehr, das Ei-
gentliche würden sie ebensowenig
verstehen, und er würde es auch
nicht erzählen. Also sprach er:
"jiel gibt es nicht zu berich-
ten. Der Stamm der Nargier wird
Euch wenig sagen, noch weniger
die Sippe des Wolfs, der ich
meinen Namen verdanke."
Keine Reaktion. Das war
gut.
"Ich verließ die Südliche
Wildnis als Söldner wie andere
junge Stammeskrieger, diente
zwei Jahre lang in Koronar,
bevor ich letzten Herbst nach
Dur geschickt wurde. Nachdem
sich in Dur die Lage wieder
halbwegs beruhigt hatte, wurde
ich mit anderen zu
den Kriegsschiffen
versetzt, um den
krogischen Seeräu-
bern den Garaus zu
machen. Zur See
hatte ich aller-
dings weniger
Glück als auf dem
Land und als unser
geschlagenes Sciff
im Hafen von Stade
Zuflucht nahm,
blieb ich gleich
dort. Leider gab
es in Stade keine
Arbeit für mich.
Dennoch war es
gut, diese schöne
Stadt besucht zu
haben, denn dort, &
Hoheit, sah ich Euch zum ersten
mal."
"Wirklich? Wo war das?"
"Auf dem Markt, Ihr kauftet
gerade ein. Der Ritter Thorich
begleitete Euch, wenn ich mich
recht entsinne. Eure Schönheit
war wie bunter Frühling auf dem
regengrauen Pflaster."
Sie lachte. "Du führst
deine Zunge wie Deinen Speer,
Wulfgar aus der Südlichen Wild-
nis! Vor dir muß man sich in
Acht nehmen!"
Auch die anderen lachten
und für eine kurze Weile flogen
die Scherzworte durch den engen
Raum. Dann erzählte Wulfgar von
seiner Heimat, Gunnar erzählte
von seinen Reisen, und die Prin-
zessin erzählte von Hofklatsch
und von Politik, was sich nie
ganz trennen ließ. Die Meilen
glitten unter den Wagenrädern
dahin und niemand merkte es, bis
Thorich unvermittelt Befehl zum
Anhalten gab. Nach wenigen Au-
genblicken setzte sich der Wagen
wieder in Bewegung und der Rit-
ter erschien vor dem rückwärti-
gen, offenen Ende des Fahrzeugs.
"Hoheit," meldete er, "zwei
Meilen voraus befindet sich ein
Gasthof ."
"Na endlich! Ich wollte
schon nach Euch schicken. Gnade
für meine armen Knochen! In
diesem Wagen kommt man sich vor
wie in einem Würfelbecher!"
Erleichterung zeichnete
sich auch auf den Gesichtern der
anderen Fahrgäste ab. Laufen ist
zwar anstrengender, fand
Wulfgar, aber auch nur für die
Füße! Sein Hintern jedenfalls
sehnte sich nach weichem Laub
oder sogar einem richtigen
Bett...
Der Gasthof lag direkt an
der Straße, kurz hinter einer
Abzweigung, die zu einem nahen
Dorf führte. Dunkle Tannen umla-
gerten ihn so dicht, daß man ihn
auf der Straße eigentlich erst
sehen konnte, wenn man schon
fast vor ihm stand. Nachdem die
Reiter in ihren schweren Ketten-
hemden zuvor eine lange Strecke
auf die pralle, eigentlich schon
viel zu kräftige Sonne zugerit-
ten waren, atmeten sie erleich-
tert auf, als sie in den dichten
Tannenwald eintauchten und nach
einigen Wegkehren den gedrunge-
nen, massigen Bau erblickten,
der kühles Bier und ein gemütli-
ches Plätzchen zum Ausruhen ver-
hieß.
Rolf lehnte bereits mit
einem Humpen des ersehnten Ge-
bräus am Eingangstor, neben ihm
winkte der glatzköpfige Wirt den
Ankömmlingen entgegen, während
sich sein Gesinde und neugierige
Gäste hinter ihm drängelten. Der
Zug der Prinzessin Irmgard von
Welten ritt ins Innere des Gast-
hofs.
Wulfgar sprang aus dem Wa-
gen und half der Prinzessin beim
Aussteigen, wofür sie ihn mit
einem freundlichen Blick belohn-
te. Während sie die wortreiche
gegrüßung des Wirts entgegen-
nahm, ließ Wulfgar einen unbs-
haglichen Blick über die Anlage
schweifen. Um ihn herum war ein
Durcheinander aus erleichtert
schnaufend von den Pferden
rutschenden Reitern, geschäftig
umhereilenden Schankleuten und
gaffenden, allen immer im Weg
stehenden Gästen. Dis Herberge
hatte den Charakter eines Wehr-
hofs und Yulfoar schätzte, daß
kein einziges Fenster nach drau-
ßen wies. Lediglich zwei einan-
der entgegengesetzte Tore aus
dicken, schweren Bohlen führten
nach draußen. Der ungepflasterte
Hof wurde auf der einen Seite
von einen zweistäckiaen, stroh-
gedeckten Langhaus, auf der an-
deren von einer einfachen ‚Hauer
aus Lehmziegeln beherrscht.
Durch einen schmalen ARundbogen
konnte man in einen weiteren iiof
blicken, den ein Säulengang
umschloß - im Einfiußgebiet der
ehemalig attischen Kolonie Koro-
nar gab es solche Verschmel-
zungen von attischer Stadtkultur
und ursprünglicher Stammeskultur
öfters.
Obwohl in diesen unsicheren
Zeiten kein Hof auf wirksamen
Schutz verzichtete, fühlte sich
Wulfgar eher wie in einem Ge-
fängnis als wie in einer Burg.
Irgendetwas legte sich auf seine
Kehle, wollte ihm die Luft ab-
drücken, aber er konnte nicht
sagen, was.
Er sah sich nach den ande-
ren um. Irmgard wurde gerade von
pausenlos daherschwatzenden Wirt
in die Schankstubs geleitet, die
Reiter - sofern sie sich nicht
bereits dort befanden - standen
müßig herum und schwatzten, die
Zofen Gunda und Isa waren schwer
damit beschäftigt, die Kleider-
truhen der Prinzessin ins Lang-
haus zu schaffen, wobei ihnen
der Barde Gunnar half. fiiemand
schien zetwas zu spüren.
"Heda, Schlachtenheld!"
ließ ihn eine fröhliche Frausn-
stimme aufschrecken. "Komm mal
her und faß mit an!" Gunda van
Eserbach, die jüngere von Im“
gards ofen, „lagte sich
einer kleinen, wahl aber reich-
lich schweren Kiste ab. "ulfogar
sprang hinzu und nah ihr den
Kasten aus den Händen. "Mas
' be-
Cepäck der Prinzessin..."
merkte sie, wobei ihr Blick
wohlgefällig an seinen anschwel-
lenden, nackten ÜOberarmen und
Schultern haftete, 07:35
reichlich schuer, was?"
Wulfgar brummte und lief
inr hinterher. Eine breite Holz-
treppe führte zu dem oberen
Stockwerk des Langhauses, wo der
Wärme wegen über Küche und Vieh-
stall die besseren Gästezimmer
lagen. Beim Hinaufsteigen sah
Wulfgar durch ein Fenster ins
Innere der Küche, in der die
dicke Wirtin und ihre Magd auf-
geregt mit Pfannen, Töpfen und
Kesseln hantierten. Satter, sal-
ziger Bratenduft trieb dem Krie-
ger entgegen und sein Magen zog
sich zusammen. In der Ferne
schrie ein Schwein in Todesangst
und Wulfgar mußte daran denken,
wie eng das Leben des Einen mit
dem Ende des Anderen verbunden
war.
Oben führte ein fensterlo-
ser, von einer Kerze notdürftig
erhellter Gang an den anderen
Gästezimmern vorbei zum Gemach
der Prinzessin, das ganz am Ende
lag. Dort hatten bereits Isa und
Gunnar eine große Kleidertruhe
abgeliefert und erschöpft auf
dieser Platz genommen, um ein
wenig zu verschnaufen. Wulfgar
ließ erleichtert den schweren
Kasten neben sie niedersausen
und mußte lachen, als der Barde
blitzschnell seine dünnen Beine
zurückzog. Halb entschuldigend
klopfte er ihm auf die Schulter.
"Komm mit, jetzt haben wir uns
ein Bier verdient!"
"Und einen Kuß!" lachte
Gunda und ehe er es sich versah,
hatte sie ihm einen auf die
bärtige Wange gedrückt und war
aus dem Zimmer verschwunden.
Fassungslos blickte er ihr nach,
was Gunnar zu einigen mehr oder
weniger geistreichen Vergleichen
aus dem Tierreich veranlaßte.
Isa begann, die Truhen aus-
zupacken und das gasthoftypisch
62
karge Zimmer auszuschmücken. Und
da dies für Wulfgars feine Nase
verdächtig nach Arbeit roch (und
ein Kuß der Alten ihn nicht ganz
so reizte wie Gundas breiter
Mund), machte er sich eilends
aus dem Staube.
Im Gang kam ihm der Wirt
entgegen, der gerade mit einem
Gast stritt. Beschwörend sprach
er auf jenen ein: "Bedenkt doch!
Selbst der Handelsagent hat ohne
Murren sein Zimmer dem Ritter
Thorich von Keltog überlassen!"
"Es geht nicht wm einen
Edlen, sondern um einfache Krie-
ger, vor denen ich und meine
Leute das Feld räumen sollen!"
knurrte der Angesprochene.
"Aber jedes Kind sieht ein,
daß eine Prinzessin eine Leib-
wache in der Nähe haben will!"
"Dann werft doch diesen
Flickschuster und seine Gesellen
aus ihrem Zimmer!"
"Meister Isenbrecht hat
sein Zimmer bereits freigegeben.
Dort ziehen nämlich die Damen
der Prinzessin ein! Holla, fast
wäre ich im Dunkeln gegen Euch
gelaufen!"
Wulfgar brachte kein
Wort der Entschuldigung mehr
über seine Lippen. Als er die
Stimme des Fremden gehört hatte,
war es ihm vorgekommen, als ob
Schnee auf seinem Rücken
schmolz, und er war wie erstarrt
stehengeblieben. Der Mann war
die Antwort!
Auch der Fremde hielt jetzt
im Schritt noch inne. Auch er
mußte es nun spüren, denn sein
ganzer Körper verriet die An-
spannung. Sie waren Feinde,
Feinde, obwohl sie sich noch nie
zuvor gesehen hatten. Wo der
eine war, konnte der andere
nicht sein!
Viel konnte Wulfgar im dämm-
rigen Licht von seinem Gegner
nicht erkennen: die dunkle Haut
und das schwarze Haar kennzeich-
neten eine attische Abstammung,
doch keineswegs von jener Art,
wie man sie in den Straßen Koro-
nars zu Gesicht bekam. Der Mann
hier mußte vom fernen Attika
selbst kommen, wie auch sein
Akzent und die weiße Tunika, die
er trug, verrieten. An seinem
goldbeschlagenen Gürtel hing ein
Dolch, an wWulfgars das Kampf-
messer. Ein gerechter Kampf.
Ein sinnloser Kampf.
Wulfgar spürte die Wut heiß in
seinen Gedärmen, seine Glieder
zitterten, der Gott in ihm tob-
te. Weg! schrie die Stimme in
ihm, schaff den da weg! Töte
ihn!
Aber es gab nach eine ande-
re Lösung. Ein Kampf war sinnlos
und einer der beiden konnte,
würde dabei sterben, ausweichen
konnte man sich in dem engen
Gang nicht, aber man konnte sich
zurückziehen. Doch wer würde es
tun? Wulfgar filhlte den Haß, der
von dem anderen ausging. N\ürde
er sich zurückziehen? Konnte er
das überhaupt, ohne sein Gesicht
zu verlieren? Wulfgar kannte die
Gesetze der attischen Gesell-
schaft nicht, Gegner wie diesen
hätte er außerhalb seiner Heimat
nie erwartet.
Was nun? Diese Frage wir-
belte durch Wulfgars Hirn. Sein
Feind rührte sich kein bißchen,
er glich einem regungslosen
Tier, bereit auf die kleinste
Bewegung hin zu fliehen oder
anzugreifen. Der Wirt traute
sich ebenfalls nicht von der
Stelle. Nur sein Kopf pendelte
ganz, ganz leicht mal in
Richtung Wulfgars, mal in
Richtung auf den Attiker. Offen-
bar fühlte er sich nicht so ganz
wohl zwischen diesen beiden
Wahnsinnigen, die gleich über-
einander herfallen würden.
Was würde geschehen, wenn
Wulfgar einen Schritt auf den
Fremden zu machte ? Der Krieger
überlegte fieberhaft. Flucht
oder Angriff? Wulfger merkte,
daß er nachdachte. Es war vor-
bei! Wer sich ablenken ließ,
verlor den Kampf! Er mußte sich
zurückziehen, bevor es zu spät
war. Oder hatte es der andere
schon gemerkt? Sah er dis klei-
nen Unsicherheiten in Uulfgars
Haltung? Wulfgar wartete. Kein
Angriff. Der andere wartete
auch. Schweiß lief Wulfgars Arme
hinunter. Rückzug oder nicht?
Griff der andere in seinen
63
Rückzug hinein an? Hatte Wulfgar
überhaupt eine andere Wahl als
es zu riskieren? Er wartete.
Sein Gegner wartete. Regungslos.
Da hielt es der Wirt nicht
mehr länger aus! Er sagte ir-
gendetwas, Wulfgar verstand es
nicht, es war auch ganz egal,
Wulfgar sprang zurück!
...und erwartete den An-
griff.
...der nicht kam! Die
Haltung des Attikers entspannte
sich und geräuschvoll und be-
freit atmete er aus. Wulfgar
konnte nicht anders, er mußte
einfach hemmungslos lachen!
Lachend und mit weichen Knien
torkelte er in Irmgards Gemach
zurück und warf die Tür hinter
sich zu.
Fortsetzung in der nächsten Ausgabe
64
Kultstätten des
Seit ältester Zeit gilt der Harz
als eines der zentralsten deut-
schen Mittelgebirge zu jenen
sageumwobenen Regionen, in denen
alte, vorchristliche Überliefe-
rungen ihre heimliche, verbor-
gene Wirksamkeit entfalteten. An
manchen Orten sind sogar heute
noch Reste kultischer Einrich-
tungen vorhanden, ganz abgesehen
natürlich von den feinstoff-
lichen Schwingungen der Kraft-
orte oder jahrhundertelangen
kultischen Tuns.
Wer z.B. aus Berlin kommend
diese kultischen Relikte des
Heidentums auf sich wirken las-
sen will, kann auch die meisten
hier geschilderten Stätten in 4
- 5 Stunden Fahrt erreichen.
Das besondere Chrakteristi-
kum disses Gebirges liegt nun
u. a. darin, daß es durch die
vielen verwinkelten und schmalen
Höhenzüge und die sich daraus
ergebenden Täler als typisches
Rückzugsgebiet betrachtet werden
kann - ideal als eine Landschaft
Harzes
mit tausend verwunschenen
Plätzen und Zufluchtsorten für
um die Jahrtausendwende ver-
folgte Heiden, Priester und
Weise Frauen (Hexen) gleicher-
maßen, gewissermaßen als eine
"ökologische Nische" für das
Heidentum in diesem Raum. Liegt
doch der Harz auch ungefähr in
jenem Bereich, der das Territo-
rium der seit kurzer Zeit be-
kehrten Sachsen von den "barba-
rischen", immer noch dem Heiden-
tum verhafteten Wenden trennte.
Zu jener Zeit, bedeckt mit
dichten Buchenwäldern(im Gegen-
satz zu den heute im Harz domi-
nierenden Fichten) und vom deut-
schen Kaiser als Jagdgebiet für
die Bauern der umliegenden
Regionen für tabu erklärt, war
der Harz ideal für Menschen,die
sich vor der Intoleranz des
christlichen Zeitalters schützen
wollten.
Der Name hängt eigentlich
mit hercynia, Horst, Waldgebiet,
Forst zusammen und nicht, wie
manche glauben machen wollten,
mit Herz (als Herz Deutsch-
lands). Obwohl die eigenartige
Struktur der Bergzüge und die
zentrale Lage in Mitteeuropa
vielleicht etwas an die "Herz"-
Symbolik erinnern mögen.
Benerkenswerte Zeugnisse
für die Auseinandersetzung des
65
missionarisch eifernden Chri-
stentums mit dem alteingeses-
senen heidnischen Glauben finden
wir bereits am nördlichen Harz-
rand, in Goslar.Die frühgotische
Neuwerkkirche gibt uns einiges
von dieser Situation noch heute
zu erkennen.
Die Pfeiler der Apsis sind außen
mit eigenartigen Gesichtern ge-
schmückt, die z.T. von Vögeln
oder auch Wölfen flankiert sind
- bei einigen dieser Gesichter
scheinen seltsame Ströme aus
ihrem Munde auszugehen - handelt
es sich um Darstellungen ODINS,
des alten germanischen Gottes
mit den beiden Raben und Wölfen,
der auch zugleich Gott des Wel-
tenodenms ist?
Wie auch bei anderen Kir-
chen dieser Zeit (die Neuwerk-
kirche wurde gegen 1100 erbaut)
bemühten sich die Christen, den
Einfluß der alten Götter zu
bannen, indem sie sie an die
Außenseite ihres Heiligtums ver-
bannten. Fürchtete man doch um
den Einfluß dieser Wesen, auf
deren heiligen Stätten man
unverschämterweise die christ-
lichen Kirchen oft errichtet
hatte. Aber auch innerhalb die-
ser gotischen Kirche finden wir
zwei sehr eigenartige :
Skulpturen, die die Götter der
alten Religion in seltsam ver-
zerrter Form darzustellen schei-
nen.
Eine echte heidnische
Kultstätte können wir entdecken,
wenn wir an der Grenze zur DDR
entlang ca. 30 km Richtung Süden
fahren: Auf dem Wurmberg bei
Braunlage befindet sich ein noch
relativ gut erhaltener Stein-
kreis, der vermutlich aus der
Bronzezeit stammt! Die Kabinen-
seilbahn bringt uns in abenteu-
erlicher Fahrt aus dem elendig-
geschäftigen Treiben Braunlages
hinauf in die weihevolle Stille
der 1000 m hohen Wurmbergspitze.
Ein aus z.T. noch kniehohen,
hellen Steinbrocken bestehender
Steinkreis, in dessen Mittel-
punkt sich ein quadratisches
oder rechteckiges Fundament
(vielleicht mit einem ebensol-
chen Gehäuse) befand, ist dort
oben noch gut sichtbar. In
Richtung Osten führte eine als
Prozessionsstraße gedeutete
Steinformation, im Volksmund als
Heidentreppe bekannt. Aufgrund
der erst nach dem 2.Weltkrieg
erfolgten, erstmaligen Grabung
datiert man diesen Steinkreis
auf mindestens 1000 v. Chr.
Hochinteressant ist es nun,
wenn wir die nähere Umgebung
dieser Bergspitze betrachten.
Denn in 3 - 4 km Luftlinie Ent-
fernung können wir bei klarem
Wetter den Gipfel des Brockens
erblicken, jenes sagenumwobenen
vom kultischen Treiben der Hexen
kündenden Berg, auf den ganze
Generationen angsterregter Kle-
riker ihre Dämonenfurcht proji-
zierten. Hier haben wir nun ein
ganz klares Indiz für den Zusam-
menhang der den Hexen zuge-
schriebenen kultischen Handlung-
en und vorchristlicher, viel-
leicht sogar bronzezeitlicher
Religiosität. Denn mit Sicher-
heit wurde dieser Steinkreis zu
68
rituellen Zwecken benutzt, bei
denen es um die Verehrung der
Gestirne ging- wie die For-
schungen über andere Steinkreise
(Stonehenge z.B.) eindeutig be-
legen. Und bei solch geringer
Entfernung der beiden Berges-
spitzen muß es einen kultischen
Zusammenhang zwischen Brocken
und Wurmberg gegeben haben. Da-
mit haben wir weitere Gewißheit
darüber gewonnen, daß der Ritt
der Hexen zum Blocksberg
(=Brocken) kein bloßer alberner
Volksaberglaube gewesen ist,
sondern daß hier Erinnerungen an
uralte kultisch-religiöse Hand-
lungen weiterlebten.
Eine recht geheimnisvolle
Örtlichkeit finden wir auch in
der bei dem Dorfe Scharzfeld am
Südrand des Harzes gelegenen
Steinkirche. Es handelt sich um
eine riesige, nach einer Seite
hin offene Höhle, die wirklich
jeden ihrer Besucher einem
mystischen Sog unterwirft. Daß
es hier wirklich einmal eine
heidnische Kultstätte gegeben
haben muß, beweist ganz eindeu-
tig eine christlich geprägte
Volkssage über den Ursprung der
Höhle. Nach ihr soll ein christ-
licher Missionar einst mit einer
hölzernen Streitaxt auf den Fel-
sen eingeschlagen haben, als ihn
die Heiden umbringen wollten.
Darauf hätte sich dann die
Höhlung der Steinkirche durch
ein "Wunder" gebildet, um als
Verehrungsstätte des christli-
chen Gottes zu die-
nen. Das Lügneri-
sche dieser kleri-
kalen Legende be-
weisen jedoch die
Ausgrabungsergeb-
nisse aus den Zwan-
ziger Jahren: Man
fand nämlich eine
Rentier jägerstation
mit Besiedlungsspu-
ren von vor 8000 -
15 000 Jahren. Un-
ter anderem wurden
Messer, Kratzer,
Klingen, Feuerstei-
Be ne und eine Kno-
chennähnadel gefun-
den. Noch heute
sind in der Höhle
eine in den Felsen
gehauene Kanzel mit drei ummit-
telbar davor liegenden Stufen zu
sehen, wobei die christlich-
sakrale Nutzung dieser Einrich-
tungen fraglich ist. Ebenso kann
es sich um einen heidnischen
Altar handeln, die Funktion der
drei ziemlich hohen Stufen im
Sinne eines christlichen Rituals
ist auch nicht ersichtlich, es
können genauso Sitzgelegenheiten
für mehrere übereinander sitzen-
de Priester gewesen sein, wie
dies in der Einleitung zum eddi-
schen Gylfaginning geschildert
wird. Auch ein in der Höhle be-
findliches, in den Boden einge-
lassenes Weihwasserbecken könnte
Bedeutung innerhalb eines heid-
69
nischen Opferkults gehabt haben.
Einen rechts mysteriösen Fund
machte man im Jahre 1937 bei
einer Ausgrabung, nämlich einen
Steinsarg, in dem sich ein weib-
liches Skelett befand.
Dieser Sarg erinnert in
starkem Maße an den Sargstein
bei den Externsteinen, der sich
dort unterhalb der wintersonnen-
wendlichen Höhle befindet und
möglicherweise Initiationszwek-
ken diente. Diese Parallele muß
für irgendwelche Leute so stö-
rend gewesen sein, daß "man" den
größten Teil dieses Sarges, näm-
lich jenen, in dem Kopf und
Rumpf ruhten, verschwinden ließ.
Schließlich wurde dann die Hypo-
these verbreitet, daß es sich
bei den Gebeinen um das Skelett
einer Äbtissin aus dem früheren
Kloster Pöhlde handelte. Der
Steinsarg soll sich übrigens
unmittelbar unterhalb der drei
zur Kanzel führenden Stufen be-
funden haben.
Ein weiterer sehr interes-
santer Punkt in der Höhle ist
eine rhombische Öffnung in der
Höhlendecke, durch die man vom
Höhlenboden aus vielleicht
bestimmte Punkte am Sternenhim-
mel fixieren konnte. Oder war es
ein Sinnbild der Öffnung des
mütterlichen Erdenschoßes für
die Kräfte des Himmelsvaters?
Dies ist aber auch zugleich der
Eindruck, den die Höhle als
Ganzes vermittelt - eine uralte
70
Kultstätte der Großen Mutter.
Vor dem Haupteingang der Höhle
befinden sich links davon noch
einige kleinere in die Felswand
gemeißelte Höhlungen, in einer
ist sogar ein Durchgang zu einem
bewaldeten Abhang, auf dem man
zu einem hohen, aber leicht
ersteigbaren, allein stehenden
Felsen gelangt. Auf dessen Spit-
ze sind noch stufenförmige Bear-
beitungsspuren sichtbar, die je-
denfalls für irgend welche
kultischen Zwecke im christli-
chen Sinne überhaupt keine Be-
deutung ergäben.
Wesentlich klarer in seiner
urreligiösen Bedeutung erscheint
uns ein anderes steinernes Hei-
ligtum, das wir am Rande des in
einem romantischen Talkessels
gelegenen Bad Grund finden: Es
ist der Hübichenstein, ein rie-
siger, wie ein Menhir erschei-
nender langer schmaler Felsen,
der nach dem Zwergenkönig Hübich
oder Gybich benannt ist.
Man wird die Faszination
einer solchen Stätte als Zugang
zu einem unterweltlichen Bereich
des Zwergenvolkes nur verstehen
können, wenn man sich in die
naturreligiöse Vorstellung einer
lebendigen, schöpferischen Kraft
im Innern der Steine, Mineralien
und Metalle hineinversetzt.
Diese Kraft wurde in den soge-
nannten Elementargeistern perso-
nifiziert wahrgenommen, als die
Menschen noch ihre ursprüngli-
chen intuitiv-visionären Bewußt-
seinsqualitäten hatten. Davon
legen auch die zahlreichen Zwer-
gensagen des Harzes Zeugnis ab.
Es wird berichtet, daß Menschen,
die den Hübichfelsen besteigen
wollten, von unerklärlichen
Schrecken befallen wurden, auch
z.B. nach einiger Zeit des Auf-
stiegs nicht mehr herunter ka-
men. Von einem dieser Kletter-
künstler kündet die Volkssage,
daß Hübich ihm begegnete und ihn
rettete. Allerdings unter der
Bedingung, daß er hinfort wei-
tere Entweihungen seines Heilig-
tums durch Neugierige nach Kräf-
ten verhindern müsse. Er wurde
daraufhin auch in die unterirdi-
schen Gemächer des Felsens ge-
führt, die wie von überirdischer
Pracht voller Gold, Silber und
Edelgestein schienen. Die Zugän-
ge zu diesem unterirdischen
Reich sind noch heute sichtbar:
71
Es sind eine ganze Reihe von
Höhlen und tief hinab führenden
Felsklüften, die sich am Fuße
des Hübichensteines befinden.
Wer dieses Heiligtum besucht,
begebe sich einmal in diese
zwischen Erde und Felsen befind-
lichen Vertiefungen, raune dort
die UR-Rune oder die magischen
Namen der Erdgöttin. Mit Sicher-
heit werden sich einige interes-
sante Erlebnisse einstellen.
Keineswegs sollte man eine
Harzrundfahrt beenden, ohne das
Hexenmuseum in Clausthal-Zeller-
feld aufzusuchen. Es bietet ei-
nen umfassenden Einblick in die
Überlieferungen über den Hexen-
kult und seine Zusammenhänge mit
der Alten Religion. In zahlrei-
chen Dioramen werden kultisches
und magisches Brauchtum, Volks-
märchen, kultische und ge-
schichtliche Stätten plastisch
dargestellt. Auch die Greuel der
Hexenverfolgung werden anschau-
lich gemacht, was für ein staat-
lich gefördertes Museum beson-
ders bemerkenswert erscheint.
Natürlich sind die vorzeit-
lichen Sehenswürdigkeiten, die
wir hier geschildert haben, nur
ein Bruchteil des Sehenswerten.
Aber man sollte sie auf einer
erstmaligen Rundreise auf keinen
Fall verpassen.
Matthias Wenger
oODIN als Schamane
Wenn wir uns mit heidni-
schen Mythen beschäftigen, fällt
uns immer wieder ins Auge, wie
nahe die Götter dem Wesen des
Menschen stehen, wie sehr sie
Prototypen bestimmter gesell-
schaftlicher Idealgestalten ver-
körpern. Diese Götter sind eben
nicht, wie der christliche Gott
unnahbare, bloß verehrungswür-
dige Gestalten, sondern Wesen,
in denen der Mensch sein eigenes
Tun und Streben wiedererkennt.
Dies gilt in besonderem
Maße von ODIN-WODAN, dem altger-
manischen Vater des Götterge-
schlechts, Menschenschöpfer,
Magier und Totengott.
Zu lange ist sein Wesen aus
dem Gesichtswinkel schiefer
chauvinistischer Vorstellungen
hauptsächlich in die Richtung
eines Gottes der Kämpfe und
Schlachten fehlinterpretiert
worden. Die Entstellungen des
unruhigen und militanten Zeital-
ters der Völkerwanderung haben
dazu das ihre getan.
Daß aber ODIN in erster
Linie der Herr der magischen
Selbsteinweihung, der Beschwörer
und Neophyt der Großen Mutter
gewesen ist, konnte dabei leicht
ins Hintertreffen geraten.
Es beginnt schon damit, daß
DDIN in der Edda selbst immer
wieder als Suchender, als nach
Weisheit und Erkenntnis Gieriger
geschildert wird:
"Viel fuhr ich,
viel erforschte ich,
viel befragte ich Erfah-
rene."
(Wafthrudnismal)
Dieser Gott gibt also zu,
nicht allwissend und übertrieben
weise zu sein. Er lehrt die
Menschen, nicht zu sehr auf sich
selbst zu vertrauen, sondern aus
dem Wissen anderer zu schöpfen
und von ihnen zu lernen. Der
Maßstab für die Weisheit der
anderen ist dabei stets deren
Erfahrung, was mit ihrem Alter
und ihrer Reife zusammenhängt.
Deshalb wendet sich ODIN auch
den Riesen zu auf seiner Suche
nach Weisheit, jenen Wesenhei-
ten, aus denen nach den Berich-
ten der Edda die Geschlechter
der Götter und der Menschen, ja
die Schöpfung des Weltalls
selbst hervorgegangen sind.
Obwohl die Riesen als eine
prähistorische Stufe der biolo-
gischen Evolution die Ahnen der
Götter sind, gelten sie zugleich
als ihre Feinde - und dies kenn-
zeichnet einen weiteren wichti-
gen Charakterzug ODINS: Er be-
gibt sich auf seiner Reise zu
den Riesen in tödliche Gefahr,
riskiert Kopf und Kragen, um
vorzeitliche Weisheit zu erlan-
gen. Hier haben wir einen Hin-
weis des Mythos auf die Gefahren
esoterischer Arbeit. DODIN wird
aber damit auch zum deutlichen
Gegenpol aller
bloß intellek-
tuellen Spiele-
rei mit esote-
rischem Wissen.
Er setzt viel-
mehr sein Leben
ein, um das
Ziel zu errei-
chen.
Eine an-
dere Geschichte
aus der Edda
zeigt noch viel
deutlicher, daß
der Preis für
magische Er-
kenntnis das
Opfer bisher gepflegter Bewußt-
seinsformen beinhaltet.
Es ist die Geschichte vom
Mimirsquell: ODIN opfert sein
eines Auge, um aus diesem Quell
einen Trunk zu erhalten. Dies
ist ein Sinnbild für die Öffnung
des Scheitelauges, das in dem
Augenblick benutzbar wird, wenn
man einen Teil der Wahrnehmungs-
kraft auf die mystische Innen-
welt richtet. Der Hüter der
Quelle, ein weiser Riese namens
Mimir verkörpert vergangene Be-
wußtseinszustände der Mensch-
heitsevolution, wie wir sie im
Organ der Zirbeldrüse und im
Althirn repräsentiert finden.
Daß ODIN im Mythos Mimirs
Schädel beschwört, um Weisheit
zu erlangen, gibt bereits einen
wichtigen Aufschluß über die
A, WW
A
mystische Symbolik der eddischen
Mythen. Es soll damit gesagt
werden, daß das Aktivieren höhe-
rer Bewußtseinszentren im
menschlichen Gehirn eine Rück-
verbindung mit den Erfahrungen
der eigenen Ahnen schafft.
Eine wesentliche Rolle für
ODINS spirituelle
spielt ferner seine Stellung zur
großen Muttergöttin.
In dem eddischen Lied
"Baldurs Träume" wird geschil-
dert, wie ODIN das Schicksal der
Götter und des Lichtgottes
Baldur zu erkunden versucht,
indem er die Wala beschwört,
eine in der Erde ruhende, tote
Seherin.
Existenz
Der göttliche Magier ver-
traut also auch hier nicht nur
seiner eigenen “Kraft, sondern
sucht nach dem Schicksalswissen
der Priesterin.
"Schweig nicht, Wölwa!
Ich will Dich fragen,
bis alles ich weiß."
So heißt es in dem angeführten
Lied.
Einleitung des Wafthrudnir-
Liedes ODINS Haltung zur Göttin:
Vor einer riskanten magischen
Operation, der Reise zu dem
weisen Urzeit-Riesen Wafthrudnir
fragt er seine Gemahlin, die
Göttin Frigga, die die Mutter
Erde verkörpert, ob er die Reise
auch wagen dürfe.
Ein anderer, wesentlicher
Zug ODINS ist seine Beziehung
zum Rausch, zur Ekstase.
Schon die alte mythische
Zuordnung als Gott des Windes
und des Sturmes, sowie das Auf-
treten ODINS in der Wilden Jagd,
auch die etymologische Auswer-
tung des Namens WODAN (WUDDAN =
Wut) deuten auf die Wichtigkeit
gesteigerter Bewußtseinsenergie
75
und ekstatischer Dynamik. Die
Berserker, WODANS Geweihte, sind
bekannt für ihre Fähigkeit, alle
körperlichen Beschränkungen im
Gefolge gesteigerter Kampfeslust
zu vergessen - eine Bewußtseins-
form, bei der alle Vielfalt des
seelischen Chaos einem unzer-
störbaren magischen Willen gewi-
chen ist.
Hier können wir direkt an-
knüpfen an eine magische Fähig-
keit DODINS, den Gestaltwandel
vom Menschen zu verschiedenen
tierischen Formen. Es ist be-
kannt, daß die Zauberer sich auf
der Ebene der Traumwelt, der
astralen Ebene, in Tiere, aber
auch in Pflanzen verwandeln, um
dadurch die Kräfte und Fähigkei-
ten des betreffenden Lebewesens
anzunehmen.
So verwandelt sich ODIN im
eddischen Odrörir-Mythos zeit-
weilig in eine Schlange und
76
später in einen Adler, um sich
im Kampf mit dem Riesen Suttung
in den Besitz eines magischen
Rauschtrankes zu setzen. Genau
das gleiche Motiv der beliebigen
Transformation in andere Lebens-
formen begegnet uns in dem
Volksmärchen "Der Zauberer Wett-
kampf" aus der Sammlung von
Ludwig Bechstein. Hier verwan-
delt sich der Zauberlehrling
z.B. in ein Pferd, eine Schwal-
be, einen magischen Ring, ein
Hirsekorn und dann in einen
Fuchs. Entscheidend ist dabei
die Schnelligkeit, mit der er
auf die Verwandlung seines magi-
schen Gegners reagiert. Ähnlich
auch der Gott Loki, der sich, um
den anderen Göttern zu entkom-
men, blitzschnell in einen Lachs
verwandelt. Der Sinn all dieser
Erzählungen liegt in einer be-
stimmten Fähigkeit begründet,
seinen Astralleib durch die
Kraft des magischen Willens zu
formen.
Ihr tieferer Hintergrund
liegt aber in der Erkenntnis,
daß die tierischen Instinkte und
Fähigkeiten evolutionsbedingter
Bestandteil des menschlichen
Wesens sind.
Wir stehen nun immer vor
der Alternative, diese zu ver-
drängen und als "sündhaft" abzu-
stempeln, wie dies in der chri-
stlichen Ethik geschieht, oder
sie zielgerichtet zu aktivieren
und zu nutzen.
Ähnliche Bedeutung haben
auch die Attribute ODINS: Sein
achtbeiniges Roß Sleipnir, daß
auch als Sinnbild im Schamanis-
mus eine große Rolle spielt,
ebenso wie es an den edlen acht-
fachen Pfad Buddhas erinnert.
Dann sein Speer, ein Symbol
des schöpferischen magischen
Willens und vier Tiere, die als
seine ständigen Begleiter um ihn
gelagert sind - und zwar han-
delt es sich um zwei Raben,
Symbole des Geistes, sowie zwei
Wölfe, Symbole triebhafter In-
stinkte. Alle vier Tiere sind
also Sinnbilder bestimmter Be-
wußtseinsfunktionen.
ODIN als ihr Herr verkör-
pert die Herrschaft der göttli-
chen Kraft im Menschen über
seine niederen Eigenschaften.
Die Einweihung ODINS, sein
zentrales Erlebnis der magischen
Wandlung, schildert das Runenge-
dicht in der Liederedda:
Odins Runenlied
Zeit ist's zu reden vom Redner-
stuhl.
An dem Brunnen Urds
Saß ich und schwieg, saß ich und
dachte
Und merkte der Männer Reden.
Von Runen hört' ich reden und
vom Raten auch
Und vernahm auch nütze Lehren.
Bei des Hohen Halle, in des
Hohen Halle
Hört! ich sagen so:
Ich weiß, daß ich hing am windi-
gen Baum
Neun lange Nächte,
Vom Speer verwundet, dem Ddin
geweiht,
Mir selber ich selbst,
Am Ast des Baums, dem man nicht
ansehn kann,
Aus welcher Wurzel er sproß.
Sie boten mir nicht Brot noch
Metz
Da neigt! ich mich nieder,
Nahm Runen auf, nahm sie äch-
zend:
Da fiel ich ab zur Erde.
Hauptlieder neun lernt! ich von
dem hehren Sohn
Bölthorns, des Vaters Bestlas,
Und trank einen Trunk des teuren
Mets
Aus Odrörir geschöpft.
Zu gedeihen begann ich und be-
gann zu denken,
Wuchs und fühlte mich wohl.
Wort aus dem Wort verlieh mir
das Wort,
Werk aus dem Werk verlieh mir
das Uerk.
Runen wirst du finden und rat-
bare Stäbe,
Sehr starke Stäbe,
Sehr steife Stäbe.
Fimbulthul färbte sie,
Asen arbeiteten sie.
Sie ritzte der hehrste der Herr-
scher,
Odin den Asen, den Alben Dain,
Dwalin den Zwergen,
Alswidr den Riesen; einige
schnitt ich selbst.
0DIN erlangt also seine
Erleuchtung ähnlich wie Buddha
an einem heiligen Baum. Dieser
steht hier aber für die Welten-
esche Yggdrasil, die mit ihren
Wurzeln und Zweigen den ganzen
Kosmos durchdringt, der in der
germanischen Mythologie 9 Welten
umfaßt. Indem ODIN alle kosmi-
schen Ebenen durchwandert, und
auf jeder seine besonderen Er-
fahrungen macht, gelangt er zur
Vollkommenheit.
Die Schlüsselrolle bei die-
sem Mysterium aber bilden die
Runen, Sinnbilder magischer und
göttlicher Kräfte, sein Ergebnis
ist, wie das Lied sagt, "...ein
Trunk vom edelsten Met", d.h.
die vollkommene Ekstase.
Die Runen sind also keines-
wess nur als Schriftzeichen
benutzt worden, sondern sie gel-
ten als Tore und Pfade zu ande-
ren Existenzebenen und bestimm-
ten Gottheiten. Die Praxis der
Runenübungen, körperliche Runen-
stellungen, Runengesänge und
Runenmeditationen weisen uns
hier einen gangbaren Weg.
Matthias Wenger
Der Scharfe Berg
Eine der wichtigsten
Kultstätten im Bereich des ein-
gemauerten Teils Berlins ist die
Insel Scharfenberg im Tegeler
See. Sie ist nach Glienicker
Werder und der Pfaueninsel die
drittgrößte hier. Leider - oder
glücklicherweise - ist sie für
die Öffentlichkeit nicht frei
zugänglich. Im Frühjahr 1984 war
es Mitarbeitern und Interessen-
ten unserer Heidnischen Gemein-
schaft möglich, eine Begehung
der Insel zu veranstalten, wobei
ein dort Beschäftigter uns
freundlicherweise führte. Die
Insel erstreckt sich mit unre-
gelmäßiger Küste über zwei Kilo-
meter in Nordsüdrichtung und 400
Meter in Ostwestrichtung.
Obwohl die Insel von einer
Schulfarm bewirtschaftet wird,
sind große Teile mit nahezu
unberührtem Wald bestanden, der
allem Anschein nach nie intensiv
forstwirtschaftlich genutzt
wurde. So ist hier - vor allem
im Norden der Insel - eines der
letzten Gebiete, in denen die
Eibe noch wild vorkommt. Außer-
dem sind dort weite Teile des
Erdbodens im Frühjahr mit wildem
Lauch bedeckt, der den Wald an
diesen Stellen mit durchdringen-
dem, scharfem Zwiebelgeruch er-
füllt. Namensgeber der ansonsten
flachen Insel ist der nach dem
wilden Lauch benannte Scharfe
Berg, ein kleiner, waldbestande-
ner Hügel im Nordteil der Insel.
Ob es sich hierbei um ein großes
Hügelgrab handelt oder ob es zur
eiszeitlichen Moränenlandschaft
des Barnim im Norden Berlins
gehört, wäre noch zu erforschen.
Vor der Christkolonisierung
wurden hier die Walpurgisfeiern
abgehalten. Vielleicht ist der
Lauch ursprünglich aus kulti-
schen Gründen hier angepflanzt
worden. Die Benennung der großen
Insel nach dem kleinen Hügel
unterstreicht seine Wichtigkeit
als Hexentanzplatz vor der
christlichen Invasion. Die ebene
Fläche an der Spitze des Hügels
ist nur etwa acht bis zehn Meter
groß. Nach einer alten Überlie-
ferung soll sie bei den Wal-
purgis-Ritualen von den Hexen
plattgetanzt worden sein. Eine
Sage im eigentlichen Sinne gibt
es nicht.
Ein Granitklotz mit einer
tiefen, fast zylindrischen Aus-
hölung liegt unweit des Strandes
im seichten Wasser des Tegeler
Sees. Obwohl Scharfenberg nie
eine Mühle besessen hat, wird
der Findling heute als Wider-
lager einer Windmühlenachse be-
79
zeichnet. Wahrscheinlicher ist
es jedoch, daß der Stein einst
auf der Bergspitze lag und erst
von frevelnder Christenhand hin-
abgewälzt wurde. In der Erde
eingelassen, eignet sich der
etwa sechs Zentner schwere Brok-
ken gut zum Verkeilen eines
Holzpfahles. Man kann darin eine
Queste, Irminsul, einen Maibaum
oder eine der früher bei den
Ostgermanen sehr gebräuchlichen
hölzernen Götterfiguren errich-
ten. Das könnte darauf hindeu-
ten, daß der Berg entweder ver-
schiedenen Zwecken als Thing-
oder Kultstätte gedient hat oder
daß der dort aufgestellte Gegen-
stand vor räuberischen Feinden
wie den Christen rasch in Si-
cherheit gebracht werden konnte.
Die Steinoberfläche mit dem Loch
konnte leicht mit Erde verdeckt
werden.
Auf dem im Wasser liegenden
Stein ist nicht zu erkennen, ob
er heute unten festgemauert ist
und ob das Loch eigentlich durch
den Stein hindurch geht. Man
kann zwar an den Seiten hinun-
terfassen, ihn aber nicht bewe-
gen. Das Loch hat einen Durch-
messer von 23 cm und ist 25 bis
30 cm tief. Die Bodenfläche ist
schräg, mit ziemlich winkligen
Rändern. Beschaffenheit und Be-
arbeitungsspuren sind durch das
ständig hineinschwappende Wasser
und den starken, grünlich-
schwarzen Algenbewuchs nicht zu
erkennen. Vielleicht ist man mit
der Herstellung des Loches nicht
fertig geworden: Steine mit
Seelen- oder Sonnenlöchern sind
mehrfach an keltisch-germani-
schen Kultstätten gefunden wor-
den.
Da bleibt denn noch eine
sehr profane Deutung, die natür-
lich eine frühere kultische Ver-
wendung hier oder anderswo nicht
ausschließt: Der Brocken könnte
zur Befestigung des Taus einer
früheren Inselfähre gedient ha-
ben. Sollte der Stein am Origi-
nalplatz am Strand liegen,
könnte er mit einem Pfahl oder
ähnlichem versehen als Landmarke
für alle zu Wasser anreisenden
Besucher gedient haben, da er
direkt am Fuße des Hügels liegt.
Noch vor wenigen Jahrzehnten
soll der Stein an Land gelegen
haben. Erst die Zerstörung des
Schilfgürtels hat die Abtragung
des Ufers bewirkt. Noch heute
befinden sich Anlegestelle,
Farm- und wWirtschaftsgebäude
unweit von Stein und Hügel.
Wie auch immer - sollte der
Stein einem kultischen Zweck
gedient haben, so hat er es
sicher der Abgelegenheit der
Insel zu verdanken, daß er vor
christlicher Zerstörungswut
verschont blieb. Wie durch ein
Wunder ist anscheinend in der
jahrhundertelangen Geschichte
der Christkolonisierung auch
kein Mönch oder Pfaffe auf die
Idee gekommen, den Berg zu
entweihen, auf dem Hügel eine
Kirche oder Kapelle zu errichten
- den Scharfen Berg zu
"entschärfen".
An der Südküste der Insel -
gegenüber des Scharfen Bergs -
liegt ein winziger Teich, der
durch ein schmales Rinnsal mit
dem Strand verbunden ist. Flüch-
tige Ausgrabungen lassen hier
eine vorgeschichtliche Siedlung
vermuten. Im umliegenden Wald
befinden sich verschiedene
kleine Mulden und andere Boden-
formationen, von denen ebenfalls
genauer erforscht werden müßte,
ob es sich hierbei um Reste von
Besiedlung und Befestigung han-
delt. Die ähnliche Ausdehnung
und Strandnähe von Hügel im
Norden und Teich im Süden deuten
auf einen kultischen Zusammen-
hang hin. Vielleicht war der
Teich einst eine schützende
Schiffs-Zuflucht für Einheimi-
sche, die vom Wasser her nicht
eingesehen werden konnte.
Die hier geschilderten Din-
ge sind für den Wissenden beein-
druckend und sollten auch den
Laien dafür interessieren, in
der Umgebung seines Wohnortes
mit Hilfe von Landkarten, Sagen
und anderen Überlieferungen nach
den Resten unserer alten, von
der Kirche zerstörten Kultur zu
forschen.
Es liegt an uns bekennenden
Heiden des 20.Jahrhunderts, die
alten heiligen Stätten unserer
Urahnen wieder ihrem ursprüngli-
chen Zweck zuzuführen! Wir haben
in den letzten Jahren im West-
teil Berlins mehrere solche
Stellen aufgespürt und wiederbe-
lebt. Hier noch ein Tip: Bei
Kultfeiern kommen immer wieder
Passanten und Spaziergänger in
die Nähe. Da wir Heiden in
Deutschland bis heute keine ein-
zige(!) Stätte alter Religiosi-
tät unser eigen nennen können,
sollten wir während der Kulte so
tun, als wären die Außenstehen-
den für uns Luft - auch wenn's
schwerfällt. Diskussionen stören
nur die Atmosphäre, ebenso fra-
gendes oder schamhaftes Umschau-
en. Das haben wir nicht nötig.
Nehmen wir uns an dem Selbstver-
ständnis ein Beispiel, das die
Kleriker an den Tag legen. Denn
merke: Wer über uns lächelt, den
Kopf schüttelt oder uns politi-
schen Extremismus nachsagt,
steht geistig weit unter uns -
Wissende tun so etwas nicht!
Bernhard Schulz
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